Wir wurden gefragt

Kann ich den Kauf digitaler Coachings, Mentorings und Seminare widerrufen?

Veröffentlicht: 25.09.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 25.09.2023
Person steigt Treppen hinauf.

Im Internet werden schon lange nicht mehr nur digitale Seminare verkauft. Nein, insbesondere in den sozialen Netzwerken stolpert man oftmals ohne Zutun über Personen, die Coachings und Mentorenprogramme anbieten. Diese sind häufig nicht billig und mit wenigen Klicks gekauft. Da stellt sich doch die Frage, ob man sich mittels Widerrufsrechts schnell und einfach wieder von der Zahlungsverpflichtung lösen kann. 

Streaming und Coaching: Widerrufsrecht bei digitalen Dienstleistungen

In vielen Fällen handelt es sich bei den Angeboten um digitale Dienstleistungen: Entweder bekommt man für sein Geld eine individuelle Betreuung durch den Anbieter oder die Anbieterin, oder aber es wird einem ein Zugang zu verschiedenen Kursen gewährt, die man dann streamen kann. Grundsätzlich gibt es auf solche Leistungen ein Widerrufsrecht. Mindestens zwei Wochen nach dem Kauf kann also der Widerruf erklärt werden. Von unternehmerischer Seite her ist es natürlich nicht sinnvoll, das Produkt – also entweder das Streamingangebot oder das Coaching – vor Ablauf dieser Frist zur Verfügung zu stellen. Immerhin würde hier die Prüfung des Angebotes, die sogenannte Beschaffenheitsprüfung, anders als beispielsweise beim Kauf von Kleidung direkt mit dem Konsum einhergehen. Daher dürfen Unternehmen mit der Leistungserbringung bis zum Ablauf der Widerrufsfrist warten. Das ist allerdings wiederum für die Kundschaft unbefriedigend. Diese macht ja vielleicht gerade von einem digitalen Angebot Gebrauch, um dieses schnell und möglichst unmittelbar beanspruchen zu können. Daher sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass Unternehmen vor Ablauf der Frist ihre Leistung erbringen, dafür aber das Widerrufsrecht vorzeitig erlöschen lassen. 

Dieses vorzeitige Erlöschen ist allerdings an Bedingungen geknüpft: 

  • Die Kundschaft muss ausdrücklich zugestimmt haben, dass mit der Erbringung der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird, 
  • diese Zustimmung muss durch das Unternehmen mittels dauerhaften Datenträgers, also beispielsweise per E-Mail, an die Kundschaft übermittelt werden und 
  • die Kundschaft muss bestätigen, dass sie weiß, dass das Widerrufsrecht durch den Beginn der Leistungserbringung erlischt. 

Nur, wenn diese drei Voraussetzungen vorliegen, erlischt das Widerrufsrecht vorzeitig. Fehlt auch nur eine Voraussetzung, so besteht das Widerrufsrecht wie gewohnt.

Widerrufsrecht bei Download-Produkten

Hin und wieder werden gerade Seminare auch als Download-Produkte zur Verfügung gestellt. Hier gilt derselbe Grundgedanke wie bei digitalen Dienstleistungen: Stellt das Unternehmen sein Produkt vor Ablauf der Widerrufsfrist zum Download bereit, kann die Kundschaft das Produkt nicht nur auf die Beschaffenheit prüfen, sondern vollständig konsumieren. Daher dürfen Unternehmen entweder bis zum Ablauf der Widerrufsfrist warten oder aber die Frist unter bestimmten Voraussetzungen erlöschen lassen. Die Voraussetzungen sind in § 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB geregelt:

  • Das Unternehmen muss mit der Vertragserfüllung begonnen gaben,
  • die Kundschaft muss zugestimmt haben, dass die Vertragserfüllung vor dem Ablauf der Widerrufsfrist beginnt,
  • die Kundschaft muss bestätigt haben, dass ihm bewusst ist, dass mit dem Beginn der Vertragserfüllung das Widerrufsrecht erlischt und
  • das Unternehmen muss der Kundschaft eine Bestellbestätigung zur Verfügung gestellt haben. 

Fazit: Widerrufsrecht ja und nein

Also, fassen wir zusammen: Grundsätzlich gibt es bei online erworbenen Coachings und Seminaren ein Widerrufsrecht. Allerdings nutzen Unternehmen hier oft die gesetzlichen Möglichkeiten und lassen das Widerrufsrecht erlöschen. Bei diesem Erlöschen handelt es sich aber um nichts, was heimlich mittels Sternchentext passiert. Verbraucher:innen müssen umfangreich informiert werden und dem Erlöschen sogar ausdrücklich zustimmen. Sie müssen sogar bestätigen, dass sie Kenntnis von den Umständen haben. Ob ein Widerrufsrecht besteht, hängt also davon ab, ob und welche Checkboxen abgehakt wurden.

Halten sich Unternehmen nicht an die gesetzlichen Vorgaben, erlischt das Widerrufsrecht nicht. Wurde gar nicht korrekt über das Widerrufsrecht aufgeklärt, kann es sogar sein, dass die Widerrufsfrist ein Jahr und 14 Tage läuft. 

Ob die gesetzlichen Vorgaben im Einzelfall erfüllt sind, muss dabei individuell geprüft werden. Verbraucher:innen können sich mit ihrem individuellen Fall an die Verbraucherzentrale wenden. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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