Vertragsfalle am Telefon

Branchenbuchabzocke: Kommt man aus dem Vertrag wieder heraus?

Veröffentlicht: 09.02.2024 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 09.02.2024
Weibliche Hand hält orangefarbenen Telefonhörer

Die Situation ist immer ähnlich. Freundliche Mitarbeitende eines solchen Dienstleisters nehmen Kontakt zu Gewerbe­treibenden und Frei­berufler:innen auf, die sie idealerweise zwischen Tür und Angel erwischen. Denn in der Hektik des Alltags ist man sich der Tragweite des Gesprächs meist nicht bewusst. Haben die Angerufenen dann einer Gesprächsaufzeichnung zugestimmt und alle Fragen brav mit Ja beantwortet, ist das Kind meist in den Brunnen gefallen. Das böse Erwachen kommt spätestens, wenn die saftige Rechnung eintrifft. Wir wurden gefragt, wie man aus dem Schlamassel wieder herauskommt.

Probleme mit Branchenbucheintragungen an der Tagesordnung

Unter der sogenannten Branchenbuchabzocke versteht man im Allgemeinen das Vorgehen von Kriminellen, Personen für viel Geld in eine meist völlig wertlose Eintragung in Firmenverzeichnisse oder Branchenbücher zu locken. Die Taktik und Umsetzung ist dabei vielfältig. Manchmal kommt es zu einem Anruf, in wiederum anderen Fällen werden behördlich aussehende Schreiben versandt, die die Empfänger:innen glauben lassen, sie müssten diese ausfüllen. Im Anschluss werden sie über eine kostenpflichtige Eintragung in solch ein Branchenregister informiert. Dabei wollen die Täter:innen mit Nachdruck vermitteln, man sei an einen festen Vertrag gebunden und zur Zahlung verpflichtet. Wir haben schon oft über diese Taktik berichtet.

 

Aktuell berichtete uns ein Unternehmer wieder einen solchen Fall. Ein Mitarbeiter eines Dienstleisters nahm telefonisch Kontakt zu ihm auf und hat ihm vorschriftsmäßig die Zustimmung für die Gesprächsaufzeichnung aus dem Kreuz geleiert, die dem Anbieter später als Beweisgrundlage für den Vertragsschluss dienen sollte. Das weiß der Angerufene zu dem Zeitpunkt nur noch nicht. Spätestens mit der übersandten Rechnung dämmerte es ihm jedoch: Hier stimmt etwas nicht.

Einen „VIP PLUS EINTRAG“ für schlappe 1.200 Euro (brutto) mit einer Laufzeit von 36 Monaten habe der Unternehmer erworben, heißt es in der Bestätigung. Die Rechnung wurde dabei von einer Firma namens Teambusiness24 aus Kleve erstellt. Die zugrundeliegende E-Mail stammt von der BBZ Verlagsgesellschaft mbH und Co. KG, ebenfalls aus Kleve. Ob der Dienstleister tatsächlich ein Google-Partner ist, wie behauptet, konnten wir bis zum Redaktionsschluss nicht verifizieren. Auf diversen Webseiten wird bereits vor diesem Unternehmen gewarnt.

Beispiel-Rechnung von teambusiness24

Was kann der Betroffene nun tun, fragte er uns.

Abwehr der Ansprüche nicht ohne Hürden – aber möglich

Ein generelles Strickmuster, wie man sich gegen solche unfairen Geschäftspraktiken zur Wehr setzen kann, gibt es nicht. Wichtig ist aber: Die Rechnungen über den Abschluss der (vermeintlichen) Dienstleistung sollten nicht einfach ignoriert werden, sondern eine Reaktion erfolgen. Wir haben uns nachfolgend die konkreten Möglichkeiten angesehen.

Vertragsschluss

Zuerst könnte man daran denken, dass überhaupt kein Vertrag zustande gekommen ist, denn für einen einvernehmlichen Vertrag braucht es zumindest zwei Parteien, die wissen, was sie tun – und über die wichtigsten Vertragsbestandteile Bescheid wissen. Das wäre schon der erste Knackpunkt in unserem Beispiel, denn von einem Preis (und schon gar nicht von 1.200 Euro) will unser Unternehmer nichts gehört haben. Hier arbeiten die Kriminellen vor allem mit dem Trick, eine schlechte Telefonverbindung zu fingieren oder schnell und undeutlich zu sprechen. Zudem wird oft mit gekonnten Formulierungen der Eindruck erweckt, es handele sich um eine kostenfreie Dienstleistung. Alles Indizien, die einen behaupteten Vertrag zu Fall bringen können.

Will die Abzock-Firma sich also auf die Zahlung der Rechnung, und als Grundlage dessen einen geschlossenen Vertrag berufen, muss sie beweisen, dass dieser überhaupt geschlossen wurde. Und hier kommt die Aufzeichnung des Gesprächs ins Spiel. Ob diese dann allein von der Qualität her Bestand haben dürfte, ist somit schon fraglich. Aber auch die besagten fehlenden Vereinbarungen über die wesentlichen Vertragsbestandteile könnten die Argumente der Abzocker zunichtemachen. Hier könnte man als betroffene Person ansetzen und sich diese besagte vollständige Aufzeichnung zusenden lassen. Achtung: Auch diese Option ist vor Manipulation nicht sicher.

Tipp: In unserem Fall hat der Inhaber des Unternehmens selbst mit dem Branchenbuch-Dienstleister gesprochen. Hat Letzterer jedoch nur eine angestellte Person am Telefon, die zum Abschluss solcher Verträge im Betrieb überhaupt nicht bevollmächtigt ist, kommt ohne ausdrückliche Genehmigung ebenfalls kein Vertrag zustande.

Zunächst sollte man also die Rechnung gegenüber der anderen Partei deutlich und ausdrücklich zurückweisen und sich auf einen fehlenden Vertragsschluss berufen, beziehungsweise das behauptete Vertragsgespräch belegen lassen. Das und die nachfolgenden Abwehrmittel sollten im Übrigen schriftlich per Einschreiben mit Rückschein und/oder Fax umgesetzt werden (nicht allein per einfacher E-Mail), um den Zugang zu beweisen.

Widerrufsrecht

Zur Sicherheit müssen jedoch noch andere Mittel und Wege ausgeschöpft werden, damit die Rechnung auch wirklich null und nichtig wird. Ein Widerrufsrecht kann jedoch nicht angeführt werden. Nur Käufe von Verbraucher:innen im Internet oder über andere Wege (z. B. Telefon, E-Mail) sind vom Widerrufsrecht umfasst. Schließt eine Person in ihrer gewerblichen Eigenschaft einen Vertrag, kann sie sich nicht auf ein gesetzliches Widerrufsrecht berufen.

Anfechtung

Will man auf Nummer sicher gehen, muss man sich neben dem ersten Argument („Es wurde kein Vertrag geschlossen“) mit der Anfechtung eines möglicherweise geschlossenen Vertrages befassen. Jurist:innen sprechen meist davon, dass diese „hilfsweise“ erklärt wird, falls der andere Einwand nicht durchschlägt.

Eine Anfechtung kommt unter anderem bei einem Irrtum in Betracht, wenn sich die angerufene Person in Bezug auf den Vertragsabschluss beispielsweise geirrt hat, und für sie nicht erkennbar war, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelt. Bei einer arglistigen Täuschung hingegen, ein weiterer möglicher Anfechtungsgrund, kann eingewendet werden, dass man von einem behördlichen Anruf ausging, darüber also bewusst getäuscht wurde. Alles wieder eine Frage der konkreten Situation und des Einzelfalls.

Doch eins steht fest: Ohne den bewusst provozierten Irrtum oder die Täuschung, hätte vermutlich keine einzige der angerufenen oder angeschriebenen Personen den meist hochpreisigen Branchenbucheintrag gebucht. Das spricht für sich.

Hilfsweise wird also die Anfechtung erklärt, denn ein Vertrag wird mit dem Irrtum/der Täuschung nicht automatisch unwirksam. Die anfechtungsberechtigte Person muss die Anfechtung des Vertrages außerdem „unverzüglich“ erklären. Dabei sollte man detailliert aufführen, worin der Irrtum/die Täuschung lag, sowie den Hinweis ergänzen, dass man den Vertrag unter Kenntnis aller Umstände nie abgeschlossen hätte. Eine Anfechtung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung  ist auch parallel möglich. Eine bestimmte Form ist für die Anfechtungserklärung nicht vorgeschrieben, sie sollte aber aus Beweisgründen schriftlich (s. o.) erfolgen. Erst dann ist die vertragliche Beziehung beendet. Mögliche Schadensersatzansprüche sind jedoch denkbar.

Zudem sollte man hilfsweise eine außerordentliche sowie eine ordentliche Kündigung erklären, falls man mit den beschriebenen Mitteln nicht weiterkommt.

Fazit

Rechtsprechung und Gesetzgebung sind zwar gegenüber Verbraucher:innen sehr nachsichtig und bieten einen bunten Blumenstrauß an Rechtsschutzmöglichkeiten (z. B. das Widerrufsrecht). Bei Unternehmer:innen ist man jedoch etwas strenger, denn sie müssten es eigentlich besser wissen und sind nicht in dem Maße schutzbedürftig, so die Argumentation. Doch das ist natürlich kein Freifahrtschein für betrügerische Aktivitäten. Auch sie müssen sich, notfalls etwas deutlicher, zur Wehr setzen können. 

Wie bereits erwähnt, ist jede Masche anders und für sich genommen zu beurteilen. Im Einzelfall kann es auch noch weitere Angriffspunkte wie unlautere AGB geben oder die Tatsache, dass die Firmen ohne Einwilligung anrufen. Meist kann man das allerdings nur einschätzen, wenn man sich tatsächlich die geführten Gespräche anhört oder übersandte Formulare prüft.

Wer ganz sicher gehen will, kommt um einen Rechtsbeistand nicht herum.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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