Kolumne: Liebe Verbraucher, hört doch mal auf, zu meckern

Veröffentlicht: 23.02.2018 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 23.02.2018

Dem Kunden kann man es doch nie recht machen. Zwei Tage Lieferzeit ist zu lang, 4,90 Euro Versand ist zu teuer und es ist ja wohl ein Unding, dass Allyouneedfresh mir auf dem Land kein 2-Stunden-Zeitfenster für die Lieferung anbietet. Bitte kostenlos.

Die Verbraucherzentralen Berlin und Brandenburg haben in dieser Woche den „Marktcheck Online-Lebensmittelhandel“ veröffentlicht. Darin kommen sie zu dem Schluss, dass Großstädter von Rewe, Allyouneedfresh und Co. viel mehr profitieren als Brandenburger im Speckgürtel von Berlin, für die solche Angebote „keine alltagstaugliche Alternative“ sind.

Nun ist es ja grundsätzlich eine gute Sache, wenn die Verbraucherzentralen oder etwa Stiftung Warentest Produkte und Services testen, damit der Verbraucher auch abseits von Kundenbewertungen abschätzen kann, wo sich Mängel befinden. Ich bin gerade auf der Suche nach einem Fahrrad-Kindersitz für den Nachwuchs und da will ich natürlich sichergehen, dass ich einen zuverlässigen Vertreter kaufe. Wenn mir die Stiftung Warentest dann sagt, dass der teure Römer Mängel hat, dann finde ich das hervorragend, weil man sich vielleicht doch vom Preis und der Marke blenden lässt. Wenn es um Sicherheit oder Funktionalität geht, dann sind entsprechende Vergleiche und vor allem Mängel-Hinweise Gold wert.

Aufwand schlägt Ertrag

Aber, um zum Thema und zur Verbrauchersicht zurückzukehren, wieso muss ein Angebot wie der Lebensmittel-Online-Versand, der, seien wir ehrlich, in der breiten Bevölkerungsschicht noch nicht mal ansatzweise (Marktanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich) angekommen ist, der etwas bietet, woran man vor wenigen Jahren noch nicht einmal gedacht hat und der, hört man sich im Bekanntenkreis um, gern mal ausprobiert wird, aber den Supermarkt sicher nicht obsolet machen wird – wieso muss solch ein Service flächendeckende Perfektion bieten?

Natürlich sind die Wege vom Allyouneedfresh-Lager nach Altlandsberg länger. Natürlich starte ich so einen Service in Regionen mit großer potenzieller Kundenbasis und nicht in Spreenhagen. Natürlich kann ich nur mit enormem Aufwand 2-Stunden-Lieferfenster anbieten, wenn der Kunde in Königs Wusterhausen bestellt. Dieser Aufwand muss aber auch finanziert werden. Rewe bietet seinen Lieferservice nicht an, weil man die Kunden so sehr liebt, auch wenn die in der öffentlichen Kommunikation stets an erster Stelle stehen, sondern um einen neuen Vertriebsweg zu etablieren und mehr Geld zu verdienen. Dahinter steckt ein riesiger logistischer Aufwand und Personal, das bezahlt werden muss. Entschuldigung, aber einen 24-Stunden-Lieferservice in ein kleines Dörfchen, in dem der eine digitalisierungsaffine Nutzer alle zwei Monate einen Wocheneinkauf online abwickelt, würde ich ganz persönlich auch nicht anbieten. Wenn sich mit den aktuellen Möglichkeiten nur große Zeitfenster anbieten lassen, dann ist das doch absolut nachvollziehbar, oder etwa nicht?! Seien wir auch ehrlich: Die meisten dieser Angebote sind noch immer sehr umfangreiche Testballons und testen will man mit möglichst großer Nutzergruppe.

Nicht alles ist selbstverständlich

Das Problem ist, dass die totale Verfügbarkeit, so günstig wie möglich und so einfach wie möglich, fest in der Kunden-DNA verankert ist. Das gilt auch für mich. Als auf Amazon konditionierter Online-Kunde sind kostenloser Versand, kostenlose Retouren und 24-Stunden-Lieferungen für mich längst die Regel. Und ich erwische mich immer noch dabei, wie ich mich ärgere, wenn das nicht angeboten wird oder die Lieferung mal verspätet kommt. Auch wenn ich es besser weiß. Man darf es aber nicht einfach voraussetzen, weil man König Kunde ist. Ich will gar nicht die (trotzdem richtigen und wichtigen) Standardfloskeln bemühen. Jeder weiß, dass Händler auch Menschen sind, dass hinter jedem Service finanzieller und logistischer Aufwand steht.

Es würde schon reichen, wenn man nicht jedes neue Angebot, jede Vergünstigung, jeden kundenfreundlichen Service als Bürgerrecht voraussetzt. Wenn der Versand 4,90 Euro kostet, dann werde ich das beim 200-Euro-Tablet mal verschmerzen können. Und wenn Allyouneedfresh mein Städtchen nicht oder im Vergleich zum urbanen Ballungsraum nur unzureichend beliefert, dann, nun ja, dann habe ich halt Pech gehabt. Man mag es kaum glauben, aber kostenloser All-Inclusive-Service ist kein Bürgerrecht.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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Kommentare  

#1 Maci 2018-02-24 17:26
Verbraucher meckern immer, sind mit nichts zufrieden und wollen immer mehr und am besten alles umsonst
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