Kolumne: Die Datenweitergabe der Deutschen Post ist alles andere als skandalös

Veröffentlicht: 06.04.2018 | Geschrieben von: Christian Laude | Letzte Aktualisierung: 06.04.2018

Facebook, Cambridge Analytica, Datenskandal: Mittlerweile dürfte wirklich jeder, der sich im Netz bewegt, etwas mit diesen Namen und Schlagworten anfangen. Seit Wochen geistern sie dort ununterbrochen umher und nahezu täglich erblicken neue Erkenntnisse, Zahlen sowie semi-seriöse Fakten das Licht der Welt. Ein Ende der Berichterstattung ist dabei kaum in Sicht – zu weitreichend sind die Folgen, insbesondere für Facebook selbst.

Deutsche Post = Facebook 2.0?

Doch seit Kurzem fällt der Datenskandal-Begriff auch im Zusammenhang mit einem deutschen Unternehmen. Aber nicht etwa in Kombination mit einem sozialen Netzwerk – schließlich lockt studiVZ wirklich niemanden hinter den Ofen hervor –, sondern zusammen mit dem hierzulande größten Logistiker. Nach Berichten der Bild am Sonntag soll ein Tochterunternehmen der Deutschen Post, die Deutsche Post Direkt GmbH, während des letztjährigen Bundestagswahlkampfes milliardenfach Kundendaten sowohl an die CDU als auch an die FDP verkauft haben. Dabei wurden für einen fünfstelligen Betrag Angaben über „Kaufkraft, Bankverhalten, Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnsituation, Familienstruktur, Wohnumfeld und Pkw-Besitz“ weitergegeben.

Bereits seit 2005 soll die Deutsche-Post-Tochter derartige Geschäfte durchführen. Das grundlegende Ziel dieser Aktion: Anhand von Informationssammlungen soll per Micro-Targeting ermittelt werden, welche „Parteiaffinität“ einzelne Wohngebäude haben könnten, um dementsprechend etwa Wahlwerbung anzupassen. „Für ca. 20,0 Mio. Häuser mit rund 34 Mio. Haushalten in Deutschland stehen mehr als 1 Milliarde Einzelinformationen zur Verfügung“, zitiert die WirtschaftsWoche die Bild am Sonntag. „Für jedes Gebäude im Wahlkreis wird für jede Partei ein Chancenwert ermittelt“, ist wiederum bei der Welt zu lesen, wobei sich der Wert zwischen 1 und 100 einpendelt.

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Verbraucher-Entrüstung bleibt aus

Der Aufschrei hielt sich auch auf dem Logistik Watchblog, verständlicherweise, nach der Berichterstattung mehr als in Grenzen. Kommentare, die in Richtung „unglaublich, dass die Deutsche-Post-Tochter so etwas macht“ gehen? Fehlanzeige! Ganz im Gegenteil: Die Meinungsäußerungen fielen eher trocken und gelassen aus. So meint ein User unter anderem: „Wo bitte ist jetzt der Skandal??? Adressenhandel (mit vielen Selektionsmöglichkeiten) ist ein alter Hut, nicht nur bei der DHL. Und was sollte daran verwerflich sein, wenn auch politische Parteien ihre Aktivitäten zielgerichteter ausführen wollen. So langsam wird diese Diskussion hysterisch.“

Innerhalb unserer Redaktion gehen die Meinungen zumindest etwas auseinander. Während die einen meinen, dass hier von einem Skandal nicht einmal ansatzweise die Rede sein kann, weil der Adresshandel seit Jahren gang und gäbe sei, fühlen sich andere von „Offline-Wahlwerbung“ tendenziell mehr belästigt, als beispielsweise von (ungewünschten) Mails. Letztere ließen sich eben leichter beseitigen, als dies bei haptischen Dingen der Fall ist, die potenziell den Briefkasten verstopfen können. Außerdem schwebt eben stets die Unwissenheit darüber mit, dass Analysen über die eigenen Daten vorgenommen werden, ohne dass derjenige überhaupt etwas davon weiß beziehungsweise auch nur ansatzweise mitbekommt.

Wie die Beteiligten das Vorgehen begründen

Die involvierten Parteien streiten indes Vorgehensweise auch gar nicht ab, weisen jedoch auch den Vorwurf der unlauteren Methodik entschieden zurück. Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, meint: „Die Daten der Deutschen Post, die wir für ‘FDPMaps’ erworben haben, waren vollständig anonymisiert und im Einklang mit deutschem Datenschutzrecht bearbeitet.“ Und auch die CDU spricht von „vollkommen anonymisierten Daten“, sodass ein genauer Personenbezug „nicht herstellbar“ sei: „Wir haben selbstverständlich keine Daten über Einzelhaushalte gekauft. Es wurde im Rahmen des Haustürwahlkampfes die statistische CDU-Wahlwahrscheinlichkeit für einen Straßenabschnitt geliefert.“

Die Deutsche Post selbst hat sich laut der WirtschaftsWoche ebenfalls zu Wort gemeldet und meint: „Die Behauptung, die Deutsche Post oder eine ihrer Tochterfirmen würden Daten ‚verhökern‘ trifft nicht zu.“ Die Aussage zielt auf die Überschrift der Bild ab, die folgendermaßen lautete: „Das erinnert an Facebook: So verhökert die Post Kundendaten an CDU und FDP“. Weiterhin betont auch die Deutsche Post: „Es werden keine personenbezogenen Daten, sondern nur statistische Wahrscheinlichkeitswerte dargestellt.“ Die entsprechenden Daten werden zudem nicht verkauft, sondern vermietet, wie es beim Adresshandel gängig ist. „Eine direkte Übermittlung der Adressdaten an werbungtreibende Kunden ist ausgeschlossen“, so die Deutsche Post laut der WirtschaftsWoche.

Künstliche Aufregung unnötig

In einer (aus Verbrauchersicht) perfekten Welt können alle Menschen zu jeder Zeit selbst entscheiden, welche Daten an wen und zu welchem Zweck weitergegeben werden. Diese Wunschvorstellung dürfte jedoch mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit noch eine ganze Weile, oder eher sogar für immer und ewig, Utopie bleiben. Dennoch ist der Ansatz, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, alles andere als zweckdienlich. Zumindest in diesem Fall gilt also, wie in so vielen anderen Situationen des Lebens eigentlich auch: Wir sollten uns alle erst einmal wieder beruhigen.

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Kommentare  

#1 Mirco 2018-04-07 08:31
Viel Schlimmer finde ich es, dass öffentliche Ämter und Behörden (z.B. Einwohnermeldea mt) einfach Daten raus geben.
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