Kampf gegen unfaire Bewertungen

Bewertungsportale müssen bei falschen Behauptungen Nutzerdaten herausgeben

Veröffentlicht: 22.04.2021 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 22.04.2021
Gesicht hinter Code

Bewertungen sind mittlerweile nicht mehr nur Online-Händlern wichtig. Auch für Arbeitgeber gewinnen Plattformen wie etwa Kununu immer mehr Bedeutung. Negative Bewertungen durch Mitarbeiter sind natürlich ärgerlich; noch ärgerlicher sind sie, wenn sie falsche Tatsachenbehauptungen beinhalten.

In so einem Fall steht steht dem betroffenen Unternehmen ein Löschanspruch zu. Allerdings können sie auch die Bestandsdaten der Autoren von der Plattform herausverlangen. Dass das Vorliegen der Voraussetzungen dafür nicht ganz einfach zu beurteilen ist, stellte nun das OLG Celle fest. 

Offene Rechnungen und pünktliches Gehalt

Der Entscheidung des OLG Celle (Beschl. v. 07.12.2020, Az.: 13 W 80/20) liegt ein Streit zwischen einem Arbeitgeber und einer Plattform zu Grunde. Auf der Plattform haben zwei Nutzer unter der Bezeichnung „Mitarbeiter“ negative Bewertungen zum Besten gegeben. Wie Heise berichtet, haben sie geschrieben, dass die Telefone im Betrieb wegen offener Rechnungen gesperrt seien worden und das Gehalt nicht pünktlich gezahlt werde. Zeitweise sei gar kein Geld gezahlt worden; Versicherungsbeiträge seien nicht an die Versicherungen weiter geleitet worden. Unter dem Punkt „Verbesserungsvorschläge“ empfahlen sie die pünktliche Auszahlung des Gehaltes. 

Das Unternehmen verlangte von der Plattform die Herausgabe der Nutzungs- und Bestandsdaten (IP-Adressen, den genauen Zeitpunkt des Hochladens der Bewertung sowie Namen und E-Mail-Adressen). So ein Anspruch besteht nach § 14 Abs. 3 TMG, „soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte [...] erforderlich ist.“

Eingriff in die Kreditwürdigkeit des Unternehmens

Was aber meint das Gesetz mit „absolut geschützten Rechten“? Damit sind Rechtsgüter gemeint, die durch einen konkreten Paragraphen des Strafgesetzbuches geschützt sind. Werden falsche Tatsachen verbreitet, so wird schon fast reflexartig davon gesprochen, dass es sich um eine Verleumdung handle. Ganz so einfach ist es aber nicht. Tatbestände wie Beleidigung, Verleumdung und auch die üble Nachrede schützen die persönliche Ehre. Eine persönliche Ehre können aber nur natürliche Personen besitzen; Unternehmen verfügen gerade nicht über eine Ehre, die verletzt werden kann.

Bei Unternehmen muss zu einem kleinen juristischen Kniff gegriffen werden: Die Rechtsprechung hat das „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ entwickelt; die Verleumdung stellt auch Aussagen unter Strafe, die die Kreditwürdigkeit gefährden.

Damit können Aussagen, wie etwa, dass ein Unternehmen nicht genug Geld hat, um seine Rechnungen zu begleichen, tatsächlich eine Verleumdung darstellen und damit das absolute Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs verletzen. Macht eine falsche Tatsachenbehauptung ein Unternehmen allerdings lediglich verächtlich, ohne die Kreditwürdigkeit zu gefährden, würde so eine Verletzung nicht vorliegen, da Unternehmen nun einmal über keine persönliche Ehre verfügen. 

„Da Schutzgut dieses Tatbestandes nicht die persönliche Ehre, sondern das Vermögen ist (...), erfasst er auch Tathandlungen, die sich gegen juristische Personen und Wirtschaftsunternehmen richten. Voraussetzung ist insoweit die Eignung der Äußerung, das Vertrauen in die Fähigkeit oder in die Bereitschaft des Betroffenen zur Erfüllung vermögensrechtlicher Verbindlichkeiten zu erschüttern (...). Diese Eignung besitzen die bezeichneten Äußerungen, die gerade die Behauptung enthalten, die Antragstellerin sei nicht willens oder nicht in der Lage, bestehenden Verpflichtungen zu Gehaltszahlungen nachzukommen“, führt das Gericht konkret aus. 

Die Sache mit dem Beweisen

Das nächste große Problem, mit dem sich das OLG Celle auseinander setzen musste, ist die Frage nach der Beweislast. Um den Anspruch auf Auskunft durchzusetzen, müsste der Arbeitgeber eigentlich beweisen, dass seine Kreditwürdigkeit aufgrund falscher Tatsachenbehauptungen gefährdet ist. Er müsste also belegen, dass beispielsweise der Lohn immer pünktlich kam und keine offenen Rechnungen bestehen. Dafür hätten sämtliche Zahlungsvorgänge für alle Mitarbeiter über einen unklaren Zeitraum vorgelegt werden müssen.

Auch hier konnte das OLG Celle zu einem juristischen Winkelzug greifen. Der Bundesgerichtshof stellte 2016 fest, dass auch Bewertungsportale eine gewisse Prüfpflicht haben. Kommen Zweifel an der Richtigkeit einer Aussage auf, so müssen Portale von ihren Nutzern Nachweise einfordern. Das ist in diesem konkreten Fall nicht passiert. Entsprechend hat das Portal eine Pflicht verletzt. Es sei komplett zumutbar, solche Belege von den Nutzern zu verlangen. Von dem Arbeitgeber müsse hingegen zur Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe der Bestandsdaten lediglich eine schlüssige Darstellung seiner Zahlungsmoral geliefert werden. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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