OLG Schleswig-Holstein

Streit um Marmelade: Billigerer Gerichtsprozess für Kleinstunternehmer?

Veröffentlicht: 05.09.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 05.09.2023
Hagebutten Fruchtaufstrich

25.000 Euro Streitwert hatte ein Landgericht im Streit zwischen Händlern um die Bezeichnung eines Fruchtaufstrichs als Marmelade festgesetzt. Eine erhebliche Summe, an der sich die fällig werdenden Gebühren für Gericht und Anwälte orientieren. 

Die beklagte Händlerin allerdings verkaufte im gesamten Jahr 2022 lediglich vier Artikel des Herstellers. Sie ging jetzt vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein gegen die Streitwertfestsetzung vor – mit Erfolg: Das Gericht senkte den Streitwert auf lediglich 1.000 Euro (Beschluss v. 10.08.2023, Az. 6 W 12/23). 

25.000 Euro Streitwert: Keine Marmelade laut Konfitürenverordnung

Die beklagte Händlerin betreibt einen Onlinehandel für skandinavische Produkte, in kleinem Umfang im Nebengewerbe. Bei der Bezeichnung eines ihrer Produkte hatte sie sich einen kleinen Patzer geleistet: Den Fruchtaufstrich eines dänischen Herstellers hatte sie auf einem Portal als Marmelade bezeichnet – wohl ohne dabei die Anforderungen einzuhalten, die die Konfitürenverordnung für den Begriff Marmelade vorsieht. Gegen sie erging ein Versäumnisurteil, bei dem das zuständige Landgericht den Streitwert auf 25.000 Euro festsetzte. 

Dieser Wert wird von den Gerichten natürlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Hier im Verfahren bestimmt er sich grundsätzlich am Interesse des Klägers, wie das Landgericht zutreffend beurteilt habe. So meinte auch der Kläger, dass sich der Streitwert an seinem wirtschaftlichen Interesse, beziehungsweise dem eines namhaften Mitbewerbers bemessen würde. 

Anders als das Landgericht kam das OLG Schleswig-Holstein aber zu der Auffassung, dass eine Ausnahmeregelung greifen würde. So ermöglicht der § 51 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) im gewerblichen Rechtsschutz die Herabsetzung des Streitwertes – unter bestimmten Voraussetzungen natürlich. Wo sonst das Interesse des Klägers maßgeblich ist, wird so auch die Berücksichtigung der Sichtweise des Beklagten zugelassen, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist, als der eigentlich ermittelte Streitwert. 

OLG Schleswig-Holstein setzt 1.000 Euro fest

Grundsätzlich folgt dann eine „angemessene Minderung“ des Streitwerts. Doch die Regelung geht noch weiter: Beeinträchtigt die Zuwiderhandlung, die dem Streitwert zugrunde liegt, angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer nur in unerheblichem Maße, ist gar ein fester Streitwert von 1.000 Euro anzusetzen. 

Was nun ein unerhebliches Maß ist, das ist wohl eine der spannenden Fragen; pauschale Antworten gibt es hierauf kaum. Die Richter des OLG Schleswig-Holstein kommen im vorliegenden Fall aber zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Streitwertes vorliegen. Zwar habe der von der Beklagten verwendete Marktplatz eine große Reichweite (was wohl gegen ein unerhebliches Maß spricht), sie habe aber mit den beanstandeten Waren unstreitig einen sehr geringen Umsatz erzielt. Zudem sei der Verstoß von geringem Gewicht, da die verwendete Bezeichnung mit dem dänischen Originaletikett übereinstimme (hier hieß es „Marmelade med Hyben“) und der angesprochene Verkehrskreis der Unterscheidung zwischen Marmelade, Konfitüre und Fruchtaufstrichen eher eine geringe Bedeutung zumesse.

Zwar stimmte das Gericht auch dem Kläger in der Ansicht zu, dass größere Unternehmen zwangsläufig einen erheblichen Personalaufwand hätten, um die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungs- und Werbevorschriften einzuhalten. „Angesichts der hier vorliegenden Falschbezeichnung ist jedoch nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen, dass die Beklagte über den Verkauf der Waren unter der Bezeichnung Marmelade einen nennenswerten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erzielt hätte“, heißt es im Beschluss. Das liege auch wegen des Umsatzes der Beklagten fern – verkauft hatte sie in einem Jahr eben offenbar nur vier Gläser Fruchtaufstrich des Herstellers. 

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