Bekämpfung jeglicher Kriminalität

Kehrtwende: EuGH ändert Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung

Veröffentlicht: 07.05.2024 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 07.05.2024
Flagge der EU vor Gebäude

Am vergangenen Dienstag hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil überraschend seine bislang restriktive Haltung gegenüber der Vorratsdatenspeicherung aufgegeben. Sollten IP-Adressen vorbeugend gespeichert werden, war das bis dato nur dann zulässig, wenn die Speicherung der Bekämpfung schwerer Kriminalität diente. Diese Einschränkung sieht der EuGH nun nicht mehr so eng und weitet den Handlungsrahmen deutlich aus.

Speicherung zur Bekämpfung jeglicher Kriminalität

Seit vielen Jahren ist die Vorratsdatenspeicherung ein Thema, das immer wieder von der Politik, aber auch den Gerichten kontrovers diskutiert wird. So waren sich jedoch sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der EuGH zuletzt einig, dass die im Telekommunikationsgesetz vorgesehene anlasslose und flächendeckende Speicherung von Telekommunikationsdaten unionsrechtswidrig ist. 

Geklagt hatten damals zwei Telekommunikationsunternehmen, die aufgrund des Gesetzes dazu verpflichtet waren, Daten der Kundschaft vorsorglich auf Vorrat zu speichern. Den Ermittlungsbehörden sollte so die Möglichkeit geboten werden, bei der Ermittlung von Straftaten auf die Daten zurückgreifen zu können. Dem schob der EuGH jedoch einen Riegel vor – bis jetzt. 

Diente die anlasslose Vorratsdatenspeicherung bislang der Bekämpfung schwerer Kriminalität, wie etwas der Verbreitung von Kinderpornografie, lockerte der EuGH jetzt seine Rechtsprechung (Urteil vom 30.04.2024, Az.: C-470/21) und lässt die Speicherung von IP-Adressen zur Bekämpfung sämtlicher Kriminalität zu, berichtet Heise

„Auf das absolut Notwendige zeitlich begrenzt“

Konkret ging es vor dem EuGH um illegales Filesharing von Musik- und Filmdateien. Eine Behörde aus Frankreich hatte auf Daten der französischen Vorratsdatenspeicherung zurückgegriffen, um gezielt gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vorzugehen. Die Behörde wurde durch die französische Regierung zu diesem Zweck ermächtigt, von Telekommunikationsanbietern Identitätsdaten mutmaßlicher Straftäter über die IP-Adressen abzufragen. Mehrere Bürgerrechtsorganisationen klagten dagegen. 

Wie der EuGH nun feststellte, sei die Beschränkung der Datenspeicherung lediglich auf schwere Kriminalität nicht gerechtfertigt. So könne kein Persönlichkeitsprofil anhand der IP-Adressen erstellt werden, wenn keine anderen Daten damit kombiniert würden. Einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sieht das Gericht daher nicht gegeben. Dennoch betonten die Luxemburger Richter:innen, dass die Speicherung „auf das absolut Notwendige zeitlich begrenzt werden müsse“. Was das genau bedeutet, ließ das Gericht allerdings offen.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf Deutschland?

Zwar ging es in dem konkreten Fall um die Vorratsdatenspeicherung von Frankreich, das könnte jedoch auch die Diskussionen in Deutschland wieder anfachen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht sich als Befürworterin der Vorratsdatenspeicherung jedenfalls bestärkt: „Der Europäische Gerichtshof hat durch das Urteil des Plenums aller 27 Richterinnen und Richter jetzt sehr deutlich entschieden, dass eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen zur Verbrechensbekämpfung nicht nur ausdrücklich zulässig ist, sondern auch zwingend erforderlich.“ 

Dabei einigte sich die Ampel-Koalition erst im vergangenen Monat nach langem Ringen auf das Quick-Freeze-Verfahren anstelle der Vorratsdatenspeicherung, welches nur beim Verdacht von schwerwiegenden Straftaten die Sicherung von IP-Adressen nach einem Richterbeschluss zulässt. Faeser hält zwar weiter an ihrer Forderung einer anlasslosen Speicherung fest, ohne eine neue gesetzliche Regelung ist diese jedoch auch nach dem jüngsten Urteil des EuGH nicht erlaubt.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Julia Petronis
Julia Petronis Expertin für: IT- und Medien-Recht

Julia ist seit April 2021 als juristische Redakteurin bei uns tätig. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig konzentrierte sie sich vor allem auf das Medien- und IT-Recht, sowie das Wettbewerbs- und Urheberrecht – und kann dieses Wissen heute auch „in der echten Welt“ einsetzen.

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