Vertragsrecht

Wann dürfen SEO-Verträge gekündigt werden?

Veröffentlicht: 27.06.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 27.06.2023
Laptop und Suchfeld

Um im großen Teich des Internets nicht unterzugehen, sondern auf einem der ersten Plätze bei Google zu landen, greifen Online-Shops zur Suchmaschinenoptimierung und dabei vermehrt die zahlreichen Angebote von SEO-Dienstleistern und SEO-Agenturen auf. Zu Recht, denn für die arbeits- und zeitintensive Suchmaschinenoptimierung braucht es viel Know-how. Bleiben die gewünschten Erfolge aus, muss jedoch ein Schuldiger gefunden werden.

Um zu wissen, wie man bei eventuellen Unstimmigkeiten zu reagieren hat, muss man erst einmal wissen, worum es sich genau handelt und welche Rechte sich aus dem speziellen SEO-Vertrag ergeben.

Inhalte und Kündigungsmöglichkeiten 

So vielfältig die SEO-Stellschrauben sind, so komplex kann auch ein SEO-Vertrag ausgestaltet sein. Diverse Einzellleistungen wie das Setzen von (Back-)Links oder die On-Page-Optimierung können von einem SEO-Vertrag umfasst sein, oder ein bunter Blumenstrauß an Maßnahmen, der mit oder ohne Erfolgsgarantie geschuldet ist. Eine Einordnung eines SEO-Vertrags als Werk- oder Dienstvertrag ist jedoch nicht eibfach und nur im Einzelfall durch Auslegung möglich, wobei es auf die bloße Bezeichnung des Vertrages nicht ankommt.

Wird im Rahmen eines SEO-Vertrags ein konkreter Erfolg gewünscht, der beispielsweise in der Setzung einer bestimmten Anzahl von Links besteht, spricht einiges für die Einordnung als Werkvertrag. Geschuldet ist dabei keine allgemeine Tätigkeit wie die Arbeit eines Büroangestellten, sondern ein bestimmtes Arbeitsergebnis in Form eines bestimmten und messbaren Erfolges, beispielsweise die Platzierung an einer bestimmten Stelle. Ist die Werkleistung mangelhaft, hat der Auftraggeber neben dem Recht auf Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz und Rücktritt auch ein Kündigungsrecht.

Davon abzugrenzen ist der Dienstvertrag als übergeordnete Form zum Arbeitsvertrag. Soll die Agentur vorwiegend längerfristig auf Grundlage festgelegter Aufgaben tätig werden, spricht einiges für einen Dienstvertrag. Eine Garantie für den Eintritt des bestimmten Erfolgs, z. B. die Verbesserung des Suchmaschinenrankings, ist aber geschuldet. Das wäre beispielsweise bei Support-Verträgen der Fall. Bei Nichteintritt eines bestimmten Erfolges können die Agentur oder der Dienstleister also auch nicht in Anspruch genommen werden. Deshalb gibt es hier auch keine Möglichkeit, eine Nachbesserung der Leistung zu verlangen oder die Vergütung zu mindern, wie man das bei einem Angestellten auch nicht könnte. Neben dem ordentlichen Kündigungsrecht besteht die Möglichkeit der fristlosen Kündigung.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Dass solche Verträge am besten wasserdicht formuliert werden sollten, zeigen zwei Beispiele aus der Rechtsprechung. Eine Kanzleiwebseite sollte von einer SEO-Agentur nach vorne gebracht werden. Für die Pflege und Optimierung der Kanzleiwebsite sollten monatlich 16 Stunden durch die Kanzlei investiert werden. Das „Angebot über SEO Service“ sollte gegen Zahlung von 1.050 Euro pro Monat unter anderem einige Umbauten auf der Webseite durchführen. Die Arbeiten wurden zwar durchgeführt und führten auch zu einer besseren Sichtbarkeit der Kanzleiseite. Weil die Sichtbarkeitswerte jedoch plötzlich abfielen, sperrte der Anwalt der Agentur den Zugang zur Webseite und kündigte den Vertrag fristlos. Die ausstehenden Zahlungen von 4.200 Euro sollten nun per Gericht eingetrieben werden.

Das Amtsgericht Neuss verurteilte den Rechtsanwalt zur Zahlung der Vergütung (AG Neuss, Urteil vom 10.06.2020, Az. 101 C 176/19). Ein bestimmter Erfolg sei nicht geschuldet gewesen. Der Schwerpunkt habe vielmehr auf einem Dienstvertrag gelegen. Hier steht das Tätigwerden im vereinbarten Umfang im Vordergrund und kein konkreter Erfolg. Da es hier keine Beanstandungen gegeben hat, die SEO-Agentur die Arbeiten durchgeführt hat, sei die fristlose Kündigung nicht wirksam gewesen. Die Berufung des Rechtsanwaltes vor Landgericht Düsseldorf war ebenso erfolglos (LG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2020, Az. 20 S 121/20).

Auch in einem anderen Fall gewann nicht der Auftraggeber, sondern die SEO-Agentur. Der Online-Händler schloss einen SEO-Vertrag ab, ohne dass ein bestimmter Erfolg geschuldet war, also einen Dienstvertrag (s.o.). Lediglich in der E-Mail-Kommunikation sei angeblich eine Positionierung in der „Top-Ten-Trefferliste“ versprochen worden. Der Vertrag war auf mindestens sechs Monate festgelegt. Weil die verbesserte Positionierung nicht eintrat, kündigte der Händler den SEO-Vertrag mit sofortiger Wirkung, jedoch vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit. Das Gericht gab auch hier dem SEO-Anbieter recht, weil kein bestimmter Erfolg geschuldet war. Dabei schenkte das Gericht vor allem der Mindestvertragsdauer von sechs Monaten Beachtung, denn in so einem Fall könne kein nachhaltiger Erfolg, so man von diesem überhaupt sprechen könne, nach nur drei Monaten erwartet werden. Dies gelte auch bei Werkverträgen, denn auch bei diesen muss erst die Mindestvertragslaufzeit abgewartet werden, nach deren Ablauf frühestens ein Erfolg geschuldet sei (LG Berlin, Urteil vom 15.01.2014, Az.: 22 O 186/13). Die außerordentliche Kündigung vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit sei unwirksam.

Gemäß einem Urteil des Landgerichts München führte die Verwendung von Duplicate Content sogar zur außerordentlichen Kündigung des SEO-Vertrages (Urteil vom 19.03.2021, Az.: 22 O 14761/19). Das bestätigte auch das Oberlandesgericht München (Urteil vom 28.07.2022, Az.: 29 U 2118/21) in der zweiten Instanz.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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