Arbeitszeitbetrug

Bei Gang zum Kaffee holen kann fristlose Kündigung drohen

Veröffentlicht: 03.05.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 03.05.2023
Kaffeetasse auf Schreibtisch

Der Gang zur Kaffeemaschine ist überlebensnotwendig, und damit sogar unfallversichert (wir berichteten). Ob es zur Arbeitszeit gehört, steht auf einem anderen Blatt, denn Pausen sind zwar gesetzlich garantiert und teilweise sogar zwingend vorgeschrieben. Sie gehören jedoch nicht zur Arbeitszeit und müssen als solche auch verrechnet werden.

Beweisfotos belegten Arbeitszeitbetrug

Gemäß § 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) beschreibt die Arbeitszeit die Spanne vom Beginn bis zum Ende der Arbeit, schließt jedoch Ruhepausen aus. Dass der Gang zur Kaffeepause und der Genuss des Heißgetränks an sich für viele Angestellte quasi essenziell ist, spielt jedoch (leider) keine Rolle. Glücklicherweise wird es in vielen Unternehmen locker gehandhabt und manche Chefs stellen ihren Mitarbeitern sogar Kaffeeautomaten kostenlos und zur Nutzung auch während der Arbeitszeit zur Verfügung, um sie bei Kräften zu halten.

Nicht so in einem Betrieb, in dem eine Raumpflegerin angestellt war. Zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter unterhält das Unternehmen ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, sich zu Beginn ihrer Arbeitszeit ein- und bei Beendigung wieder auszustempeln. In Anspruch genommene Pausenzeiten haben sie ebenfalls festzuhalten, indem sie sich zu Beginn der Pause aus- und bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit wieder einstempeln. 

„nur kurz“ Kaffee trinken oder Vertrauen vollständig zerstört?

Eine Angestellte hatte für mindestens zehn Minuten ein gegenüber der Betriebsstätte liegendes Café besucht und traf sich dort zum Kaffeetrinken. Die Dame bediente das Arbeitszeiterfassungssystem weder bei Verlassen der Gebäudes noch bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Ob sie es vergessen hat oder sich absichtlich nicht dokumentiert hat, konnte nicht mehr geklärt werden. Auch die Frage, ob es sich um einen Einzelfall handelte, blieb ungeklärt. Nichtsdestotrotz war vor allem der Umstand, dass ihr Café-Besuch unglücklicherweise von der Unternehmensleitung beobachtet wurde, ihr Verhängnis. Erst als die Mitarbeiterin mit Beweisfotos überführt werden sollte, gab sie den Arbeitszeitbetrug zu. Die fristlose Kündigung konnte sie damit jedoch nicht mehr aufhalten.

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit zu dokumentieren, kann zu einer gerechtfertigten fristlosen Kündigung führen (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27.01.2023, Az.: 13 Sa 1007/22). Ein wichtiger Grund könne grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat. Denn entscheidend sei der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust.

Fristlose Kündigung war einziges Mittel

Schließlich hatte sich das Arbeitsgericht noch mit der Frage zu befassen, ob eine Abmahnung oder wenigstens eine ordentliche Kündigung auch ausgereicht hätte, verneinte dies jedoch im Endeffekt. Wer, wenn er ertappt wird, den um Aufklärung bemühten Chef auch noch anlügt, um die Tat nachhaltig zu vertuschen, könne nicht verschont werden. 

Durch dieses Nachtatverhalten habe die Angestellte ihr auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegtes Verhalten in einem solchen Maße vertieft, dass die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar erscheint. Auch eine normale Kündigung (in dem Fall mit einer Frist von drei Monaten) schied aus diesen Gründen aus.

 

Streng genommen gehört das Kaffeeholen wie die Raucherpause generell zur Pausenzeit und dürfen der Arbeitszeit nicht angerechnet werden, wenn nichts anderes vereinbart wird (Toilettenpausen gehören jedoch zur Arbeitszeit). Wer nach dem Modell der Vertrauensarbeitszeit arbeitet, sollte die Pausenzeit daher einfach hinten anhängen. Wer seine Arbeitszeit elektronisch erfasst, muss diese ebenfalls dokumentieren oder sich ausstechen, wenn es keine ausdrückliche (oder geduldete) Ausnahme gibt. Das Trinken von Heißgetränken am Arbeitsplatz während des Arbeitens ist natürlich zur Aufrechterhaltung der nötigen Lebensfunktionen erlaubt, soweit Unternehmen dies nicht aus arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten verbieten (müssen). 

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Shop bietet der Händlerbund auch den Rundum-Service für Arbeitgeber. Mit den neuen Arbeitsrecht-Paketen stehen Arbeitgebern nicht nur umfangreiche Vorlagen und Checklisten zur Verfügung, sondern auch die Rechtsberatung. Weitere Informationen zu den Arbeitsrecht-Paketen finden Sie hier.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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