Dreist oder berechtigt

Kundin gibt etwas in Auftrag – und will das Produkt nicht mehr

Veröffentlicht: 26.10.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 26.10.2023
Sofa mit bunten Kissen
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

In dieser Woche machen wir mit unserem „Dreist oder berechtigt“ wieder einen Ausflug in die Handmade-Branche: Eine Kundin bestellt bei einer gewerblichen Näherin ein Kissen. Dieses Kissen soll genau das Geburtsgewicht ihrer neugeborenen Nichte haben. Außerdem soll der Name und die Größe drauf gestickt werden. Es handelt sich dabei um ein Geschenk. Im Check-out wählt sie die Option „Vorkasse“ und löst die Bestellung aus. Die Näherin macht sich ans Werk. Als sie eine Woche später noch keinen Geldeingang feststellen konnte, fragt sie bei der Kundin nach. Diese gibt nun an, dass sie es sich anders überlegt hat. Jemand aus ihrer Familie hatte die gleiche Idee, weswegen sie das Kissen nun nicht mehr benötigt. Sie erklärt den Widerruf. Die Näherin will diesen nicht akzeptieren und schickt eine Mahnung. Die Kundin ignoriert diese. Zu Recht?

Grundsatz: Vertrag ist Vertrag

Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Ist ein Vertrag erst mal geschlossen, kann man sich nur noch unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen lösen. Eine Besonderheit stellt dabei der B2C-Vertrag im Online-Handel dar. Hier haben Verbraucher:innen ein Widerrufsrecht. Solange die Widerrufsfrist läuft, gilt der Vertrag als „schwebend wirksam“. Allerdings gibt es dieses Widerrufsrecht nicht in jedem Fall. Für personalisierte Ware kann das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden. Grundvoraussetzung ist zum einen eine rechtmäßige Widerrufsbelehrung und zum anderen das nach Kundenspezifikationen gefertigte Produkt. Bei dem Produkt kommt es entscheidend darauf an, ob der Händler oder die Händlerin die Ware nach einer Retoure noch einmal verkaufen könnte. 

Fazit: Kein Widerrufsrecht für dieses Kissen

Was aber bedeutet das für unseren Fall? Die Kundin hat hier ein Produkt bestellt, das hochindividuell ist. Es ist nicht nur mit individuellen Daten bestickt, sondern hat dazu auch noch ein bestimmtes Gewicht. Entsprechend kann die Händlerin für dieses Produkt keine anderen Interessent:innen finden. Wenn wir davon ausgehen, dass die Händlerin eine rechtssichere Widerrufsbelehrung in ihrem Shop integriert hat, kann sich die Kundin also nicht auf ihr Widerrufsrecht berufen. Sie ist also dazu verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und das Produkt abzunehmen. Die Forderung ist daher im Sinne dieses Formates dreist.

Praxistipp: Erst bei Geldeingang mit der Produktion beginnen

In der Praxis liest man immer wieder von solchen Fällen. Ist eine Zahlung auf Vorkasse vereinbart, bietet es sich daher an, erst mit der Produktion zu beginnen, wenn das Geld auch tatsächlich eingegangen ist. In der Theorie kann natürlich von Seiten der Händler:innen dennoch auf die Einhaltung des Vertrages gepocht werden. In der Praxis erspart man sich aber mühselige Diskussionen und kann den Fall schnell für sich abhaken, um sich ernsthaften Aufträgen zu widmen.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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