Interview mit Kilian Kaminski von refurbed

„In jedem europäischen Haushalt sollte ein Refurbished-Produkt stehen.“

Veröffentlicht: 08.03.2024 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 08.03.2024
Nachhaltigkeit

Dass Nachhaltigkeit mittlerweile kaum mehr wegzudenken ist, liegt auf der Hand. Auf der E-Commerce Berlin Expo sprach Kilian Kaminski, Mitgründer von refurbed, über die Chancen der Kreislaufwirtschaft und wie sich ein Marktplatz für refurbished Produkte angesichts dieser skalieren lässt. 

Im Interview mit OnlinehändlerNews verrät er, warum das Marktplatzgeschäft gerade in der Refurbished-Branche das perfekte Modell ist und auch großen Marken helfen kann, sich aktiv an der Kreislaufwirtschaft zu beteiligen.

Das neue „neu“ sollte „refurbished“ sein

OnlinehändlerNews: Nachhaltigkeit ist mittlerweile fest im Mainstream – seht ihr das ein Stück weit auch als euren Verdienst an?

Kilian Kaminski: Ich glaube, es wäre ein bisschen zu viel, zu sagen, dass wir da einen Verdienst haben. Da gibt es viele andere Bewegungen, wie Greta Thunberg oder die Fridays for Future, die da einen wichtigeren Beitrag geleistet haben, dass Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Gesellschaft mittlerweile mehr gesehen werden.

Aber ich meine, ein Stück weit haben wir dazu beigetragen, dass es einfacher wird, nachhaltig zu leben. Damit meine ich vor allem, dass Nachhaltigkeit bei uns nicht teurer ist – was bei vielen anderen Anbietern und Produkten leider der Fall ist. Dort wird Nachhaltigkeit mit Geld bezahlt – bei uns spart man dagegen und ist nachhaltiger.

Diese Kombination hilft einzelnen Konsument:innen dabei, ihr Konsumverhalten zu überdenken. Wir hatten vor Kurzem auch ein Rebranding. Einer unserer Slogans lautet dabei „Rethink new“. Damit wollen wir vor allem sagen, dass das neue „neu“ heutzutage „refurbished“ sein sollte.

 

Die Halbwertszeit von Smartphones hat sich deutlich verlängert

Inflation und Co. drückten zuletzt auf die Konsumstimmung. Bekamt ihr das auch zu spüren oder hat euch das vielleicht sogar in die Hände gespielt?

Beides trifft zu. Aber bei uns hatte die Konsumzurückhaltung möglicherweise einen geringeren Impact als bei anderen Playern am Markt. Das geht natürlich darauf zurück, dass Produkte bei uns sowieso bereits günstiger sind als neue Produkte. 

Ich glaube, da gab es zum Teil wirklich einen gedanklichen Wandel bei den Leuten. Diejenigen, die früher immer neue Ware gekauft haben, denken jetzt darüber nach, ob sie wirklich gewillt sind, derartige Preise auszugeben. Das führt dann natürlich nochmal zu einer größeren Motivation, zu uns zu wechseln.

Auf der anderen Seite hat sich auch das Konsumverhalten der Leute geändert. Beispielsweise nutzen die Menschen ihr Geld heute verstärkt, um zu reisen, anstatt sich irgendein Gimmick zu kaufen. Auch im Bereich Technik wird jetzt umgedacht: Früher wurden Smartphones im Schnitt nach 1,8 und 2 Jahren ausgetauscht. Mittlerweile wird meist um die drei Jahre gewartet, bis ein neues Gerät ansteht.

Das bekommen dann natürlich auch wir zu spüren. Denn die Kundschaft kommt ja dadurch auch bei uns weniger regelmäßig zum Nachkauf zurück. Deswegen fokussieren wir mittlerweile verstärkt auf die Erweiterung unseres Produktsortiments. Du findest bei refurbed inzwischen auch eine Kaffeemaschine von DeLonghi, einen Staubsauger von AEG oder sogar Kärcher-Gartenequipment. 

Auch den Bereich Sport bauen wir zunehmend aus. Da gibt es jetzt zum Beispiel auch wiederaufbereitete Ski und Snowboards. Unser Wunsch ist es, dass die Kundschaft nicht nur alle drei Jahre auf der Suche nach einem neuen Smartphone zu uns kommt, sondern auch bei anderen Produkten an uns denkt. 

„Wir konzentrieren uns auf das, was wir wirklich gut machen.“

Trotzdem bleibt ihr damit ja im Bereich der Elektronik und Großanschaffungen. Wie steht es um Alltagsprodukte, Mode und weitere Schnelldreher?

Grundsätzlich sind wir ganz bewusst im Bereich Consumer Electronic, den wir mittlerweile ja auch um die Sparten Small Domestic Appliances, Küchenprodukte und Haushaltsprodukte erweitert haben. Mit dem Sport-Bereich sind wir jetzt schon recht neue Wege gegangen, was das Refurbishment angeht. 

Was jetzt weitere klassische Bereiche angeht, wie Mode, Spielzeug oder Möbel, da sind wir noch nicht tätig, aber evaluieren auch diese regelmäßig. Wichtig ist für uns dabei nur immer, dass der Nutzen für die Kundschaft der gleiche bleibt und dass da eine gewisse Logik dahinter ist.

Bei Mode ist das zum Beispiel gar nicht so einfach. Wenn wir von Smartphones reden, gibt es ja nicht so viele Marken. Das ist in der Mode etwas ganz anderes. Da hat man eine ganz andere Komplexität: mehr Marken, verschiedene Schnitte, Farben, Größen etc. Da ein breites Portfolio aufzubauen, ist deutlich aufwendiger. Deshalb konzentrieren wir uns lieber auf das, was wir wirklich gut machen, schauen aber natürlich auch regelmäßig, in welche Richtung wir weitergehen können.

Das Marktplatzgeschäft ist das perfekte Business-Modell

Ihr arbeitet ja bereits mit diversen Marken zusammen, aber seht ihr euch als richtiger Marktplatz?

Also ich bin persönlich davon überzeugt, dass ein Marktplatz eigentlich das perfekte Business-Modell ist. Man schafft es dadurch relativ einfach, seiner Kundschaft eine breite Auswahl an Produkten zu bieten. Und das zu einem attraktiven Preis. Auf der Verkäuferseite dagegen eröffnen sich durch den Verkauf auf einem Marktplatz teilweise ganz neue Zielgruppen.

Gerade der Bereich der Refurbisher ist oftmals sehr fokussiert. Da verkauft ein bestimmter Anbieter beispielsweise nur Smartphones der Marke Samsung. Findet das über einen eigenen Webshop statt, dann lässt sich dort natürlich auch nur eine bestimmte Kundengruppe targeten. Und diese kommt dann natürlich nur dann wieder, wenn nach x Jahren ein neues solches Gerät benötigt wird. Verkauft der besagte Anbieter stattdessen über einen Marktplatz, dann kauft eine Person beim ersten Mal vielleicht nur eine Kaffeemaschine, kommt aber wieder, sobald auch ein neues Smartphone benötigt wird.

Für Marken ist ein weiterer Vorteil, dass diese oft ihre Refurbished-Ware nicht auf dem eigenen Vertriebskanal verkaufen wollen. Schließlich könnte diese dort in Konkurrenz zur eigenen Neuware stehen. Deshalb arbeiten sie stattdessen gerne mit uns zusammen. Als Refurbished-Marktplatz bieten wir Marken hier genau die richtige Lösung an, um sich an einer Kreislaufwirtschaft zu beteiligen, ohne die eigenen Umsätze mit dem Neuwarengeschäft zu kannibalisieren. 

Zukunftstraum: Ein Refurbished-Produkt in jedem Haushalt

Wie sieht eure Zukunftsvision aus? Wo wollt ihr mit refurbed hin?

Wir möchten die Plattform für nachhaltige Produkte und Services in ganz Europa werden. Der Traum wäre, wenn in jedem europäischen Haushalt ein Refurbished-Produkt stehen würde. Am schönsten wäre es natürlich, wenn dieses auch von refurbed kommt. Aber wir würden uns schon freuen, wenn wir etwas dazu beitragen könnten, dass Nachhaltigkeit einfach mehr in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Und dass Kreislaufwirtschaft einfach die neue Normalität wäre.

Vielen Dank für das Gespräch!

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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