Interview

Mehr Geld fürs Unternehmenswachstum: „Es ist schwieriger geworden, eine Finanzierung zu erhalten.“

Veröffentlicht: 05.07.2023 | Geschrieben von: Corinna Flemming | Letzte Aktualisierung: 05.07.2023
Sparschwein mit Münzstapel

Soll das eigene Business wachsen, haben Händler verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl: Kredite, Investoren, Bootstrapping, Eigenfinanzierung. Daraus das richtige Modell zu finden, ist nicht immer einfach. Fabian Platzen, General Manager beim Kreditvermittler iwoca Deutschland, erklärt im Interview, welche Optionen Unternehmen bei der Wachstumsfinanzierung haben und was es bei den verschiedenen Möglichkeiten zu beachten gibt.

Was ist Wachstumsfinanzierung genau und warum ist sie für Unternehmen wichtig?

Fabian Platzen: Von einer Wachstumsfinanzierung spricht man, wenn sich ein bereits bestehendes Unternehmen Geld für die Umsetzung interner oder externer Wachstumsvorhaben beschafft. Laut unserer Expertenbefragung für den iwoca KMU-Index ist mit 37 Prozent der häufigste Grund für die Aufnahme von Fremdkapital die Wachstumsfinanzierung. Oft reichen die eigenen Mittel nicht aus, so dass auf externe Quellen zum Finanzieren der Investitionen zurückgegriffen wird. Ohne Wachstumsfinanzierungen können Unternehmen nicht in ihre Zukunft investieren und ihr volles Potenzial ausschöpfen, deshalb ist diese so wichtig für Unternehmen und die Wirtschaft. Kurzfristige Chancen, die Einführung neuer Produkte oder auch Investitionen in bessere Maschinen, das Reagieren auf Marktentwicklungen – Oft sehen Unternehmer*innen im Laufe ihrer Geschäftstätigkeit ein Umsatzsteigerung-Potenzial, das sie nur über Investitionen realisieren können. 

Ab welchem Zeitpunkt sollten sich Unternehmen mit einer Wachstumsfinanzierung auseinandersetzen?

Unternehmen sollten eine solide Geschäftsgrundlage haben, bevor sie eine Wachstumsfinanzierung beispielsweise über einen Kredit in Betracht ziehen. Wichtig sind klare Ziele und ein konkreter Plan, wie das Kapital verwendet werden soll. Das Unternehmen muss entscheiden, welcher Faktor am entscheidendsten ist. Machen Aufwand, Zeit, finanzielle Folgen oder sogar die Abgabe von Unternehmensanteilen etwas aus oder nicht. Je nachdem, welcher Faktor hier eine Rolle spielt, ändert sich das am besten geeignete Finanzierungsinstrument.

Welche unterschiedlichen Arten von Wachstumsfinanzierung gibt es?

Meist ist eine externe Finanzierung durch Dritte gemeint, um das benötigte Kapital zu erhalten. Der Klassiker in der Wachstumsfinanzierung ist der Kredit. Diese Finanzierungsoption für geschäftliche Zwecke richtet sich speziell an Unternehmen und wird in der Regel von Banken oder auch alternativen Kreditanbietern wie iwoca vergeben. Laufzeit, Zinssatz, Kredithöhe und Rückzahlung eines Kredits variieren je nach Anbieter. Konditionen werden oft in der Kreditanalyse festgelegt. Kreditgeber bewerten die Bonität eines Unternehmens, indem sie die Unterlagen des Geschäfts analysieren. Aber auch Venture Capital und Private Equity über Beteiligungen oder Crowdfunding durch Kleinanleger*innen sind Optionen. Dabei hat jede Finanzierungsform ihr Für und Wider und eignet sich je nach Unternehmenssituation und -zielen unterschiedlich gut.

Die richtige Finanzierung finden

Wie kann ein Unternehmen seine Finanzierungsmöglichkeiten für Wachstum erweitern?

Um beim klassischen Beispiel für eine Wachstumsfinanzierung zu bleiben: Der erste Weg führt oft zur Hausbank des Unternehmens, um einen Kredit aufzunehmen. Bleibt die Kreditzusage verwehrt oder dauert der Prozess zu lang, kann gemeinsam mit dem Bankberaterteam geschaut werden, woran es liegt. Manchmal zahlt sich eine Brückenfinanzierung aus oder eine Erweiterung des Finanzierungsmixes. Optionen sind beispielsweise alternative Kreditgeber wie iwoca, die Firmenkredite bis zu 500.000 Euro gewähren und als Brückenfinanzierung helfen können. Zudem wurden bereits zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten für Wachstum genannt: Ein Unternehmen kann externe Investoren an Bord holen. Eine andere oft übersehene Option ist, geeignete Förderprogramme für das Vorhaben zu identifizieren. Zu beachten ist jedoch, dass mit ihnen oft ein hoher bürokratischer und zeitlicher Aufwand verbunden ist. 

Welche Faktoren sollten Unternehmen bei der Auswahl einer Wachstumsfinanzierungsmethode berücksichtigen? 

Es ist sehr wichtig, die eigenen Ziele und Rahmenbedingungen sorgfältig zu analysieren, um für sich die passende Finanzierungsoption auszuwählen. Oftmals erhöht sich der Umsatz mit einer Wachstumsfinanzierung deutlich, wenn sie richtig eingesetzt wird. Wichtige Einflussfaktoren sind die Reife des Unternehmens am Markt, Geschäftszahlen sowie aktuelle Marktbedingungen. Aktuell tun sich beispielsweise Existenzgründer*innen sehr schwer, eine Finanzierung zu erhalten. Aus unserer Erfahrung im KMU-Segment ist eine Kreditfinanzierung noch immer die beste Option. Dabei behalten die Unternehmer*innen die Kontrolle über ihr Unternehmen und haben klare Regeln für das Fremdkapital. 

Welche Herausforderungen können bei der Beschaffung von Wachstumsfinanzierung auftreten?

Es ist schwieriger geworden, eine Finanzierung zu erhalten. Das zeigt auch unser letzter KMU-Index, eine Umfrage unter Finanzierungsexperten. 89 Prozent der Finanzierungsexpert*innen haben festgestellt, dass kleine und mittelgroße Unternehmen immer schwerer Kredite bei traditionellen Banken erhalten. Andere Herausforderungen sind zudem die Schnelligkeit bis zur Kreditentscheidung und der hohe bürokratische Aufwand, um die erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen. Die Anforderungen sind hier von Bank zu Bank unterschiedlich. Zudem sind Kreditanträge oft unverhältnismäßig komplex, schwer nachvollziehbar und zeitraubend bis zur erfolgreichen Bewilligung. Hier setzen jedoch digitale Finanzierer an, um solche Prozesse effizienter, transparenter und planbarer zu gestalten. Unser Ziel bei iwoca ist, dass der Antrag fünf Minuten dauert und nach Bewilligung der Kreditbetrag innerhalb von 48 Stunden auf dem Konto ist. 

Externe Investoren: Ja oder Nein? 

Welche Rolle spielen Investoren bei der Wachstumsfinanzierung und wie wählt man den richtigen Investor aus?

Investoren spielen eine wichtige Rolle bei der Wachstumsfinanzierung, da sie Geld und Wissen einbringen. Dabei ist zu beachten, dass nicht jedes Unternehmen externe Investoren benötigt und umgekehrt Investoren häufig nach bestimmten Geschäftsmodellen mit hohem Skalierungspotenzial Ausschau halten. Wer einen Investor an Bord holt, gibt meist Anteile und Stimmrechte ab. Für investitions-intensive Unternehmen in der Gründungsphase sind Investoren jedoch attraktiv, da sie Kapital und Expertise einbringen. Bevor man einen Investor auswählt, sollten einige Schlüsselfaktoren berücksichtigt werden, wie z.B. Erfahrung, Netzwerk, Finanzkraft, Strategie und Branchenkenntnisse. Hier hilft der Austausch mit anderen Unternehmen, in die der Investor bereits investiert hat. Denn es ist wichtig, dass die Ziele und Werte der beiden Seiten übereinstimmen. Nur so kann die Zusammenarbeit für beide Seiten vorteilhaft und partnerschaftlich sein.

Welche Alternativen zur externen Finanzierung stehen Unternehmen zur Verfügung, um ihr Wachstum zu finanzieren?

Es gibt eine Reihe von Alternativen. Eine Möglichkeit ist natürlich, das Wachstum aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Möglichkeiten hierfür können auch Kosteneinsparungen, Teilverkäufe oder Bootstrapping – also langsameres Wachstum aus eigenen Erträgen – sein. Allerdings wird die Wachstumsfinanzierung in der Regel innerhalb eines kurzen Zeitraums benötigt und sollte den laufenden Geschäftsbetrieb nicht einschränken, daher lohnt sich bei guten Wachstumsaussichten häufig die Aufnahme von Fremdkapital. 

Welche Auswirkungen hat die Wachstumsfinanzierung auf die Eigentümerstruktur und die Kontrolle über das Unternehmen? 

Das hängt ganz von der gewählten Finanzierungsform ab. Ein Firmenkredit beispielsweise verändert nichts an der Eigentümerstruktur und dem Einfluss auf das Unternehmen. Erfolgt die Finanzierung durch Investoren, beeinflusst das die Eigentumsstruktur und die Kontrolldynamik im Unternehmen. Wenn Investoren Anteile erwerben, erhalten sie die Möglichkeit, Einfluss auf strategische Entscheidungen auszuüben. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Bedingungen im Zusammenhang mit solchen Finanzierungen sorgfältig zu prüfen. Nur so lässt sich eine ausgewogene Kontrolle und der Schutz der eigenen Interessen gewährleisten.

Venture Capital, Private Equity und Co. 

Welche rechtlichen und vertraglichen Aspekte sollten bei der Wachstumsfinanzierung beachtet werden? 

Im Bereich der Wachstumsfinanzierung ist es unerlässlich, rechtliche und vertragliche Aspekte sorgfältig abzuwägen und zu berücksichtigen. Dazu gehören bei Krediten klar definierte Vereinbarungen über z.B. die Finanzierungsbedingungen, Sicherheiten, Rückzahlungsmodalitäten sowie zu zahlende Kreditzinsen.Trotzem sind Kreditverträge häufig auch für den Unternehmer noch gut verständlich, eine rechtliche Beratung kann hier aber helfen. Bei komplexen (Eigenkapital)-Finanzierungskonstrukten ist die Beratung allerdings unverzichtbar. Das hilft beim Vermeiden von potenziellen Risiken und um eine solide, dauerhafte Grundlage für das Finanzierungsvorhaben zu schaffen. Indem Unternehmer*innen rechtlichen Aspekten Priorität einräumen, können sie ihre langfristigen Interessen wahren.

Welche Rolle spielen Finanzierungsinstrumente wie Venture Capital, Private Equity oder Unternehmensanleihen bei der Wachstumsfinanzierung?

Aus meiner Sicht und mit Blick auf die Masse stellen diese Finanzierungsinstrumente eher die Ausnahme statt die Regel dar. Das liegt auch an ihren Besonderheiten, so dass sie für die klassischen Wachstumsfinanzierungen nicht passend sind. Venture Capital dient als Risikokapital und gibt StartUps Finanzmittel im Austausch gegen Unternehmensanteile. Private Equity investiert in etablierte, nicht börsennotierte Unternehmen, ebenfalls gegen eine Beteiligung. Bei Unternehmensanleihen geben Unternehmen verzinste Anleihen heraus und erhalten Kapital von Investor*innen. Nach einem festgelegten Zeitraum erhalten die Anleger*innen den Investitionsbetrag verzinst zurückgezahlt. All diese Finanzierungsinstrumente gehen für die Unternehmen mit Pflichten einher. Bei der Abgabe von Unternehmensanteilen ändert sich die Gesellschafterstruktur. Die Investoren beeinflussen dann strategische Geschäftsentscheidungen und sind daher weise zu wählen. Im besten Fall können sie das Wachstum beispielsweise über ihr Netzwerk als immaterielle Komponente verstärken. Die Vor- und Nachteile jeder Finanzierungsart sind gut abzuwägen. Am Ende sind VC, PE und Aktienanleihen eher Spezialfälle, die zeitaufwändig und kostenintensiv sind und sich nicht klassisch an kleine und mittelständische Unternehmen richten. 

Vielen Dank fürs Gespräch!

Über die Autorin

Corinna Flemming
Corinna Flemming Expertin für: Internationales

Nach verschiedenen Stationen im Redaktionsumfeld wurde schließlich das Thema E-Commerce im Mai 2017 zum Job von Corinna. Seit sie Mitglied bei den OnlinehändlerNews ist, kann sie ihre Liebe zur englischen Sprache jeden Tag in ihre Arbeit einbringen und hat sich dementsprechend auf den Bereich Internationales spezialisiert.

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