IFA 2017: Up-to-date, aber kaum innovativ

Veröffentlicht: 04.09.2017 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 04.09.2017

Vom 1. bis zum 6. September 2017 kann man auf der IFA in Berlin die neusten Technik-Trends bestaunen. Die sind allerdings auch in diesem Jahr eher altbekannt als visionär.

IFA

© Messe Berlin

Die Internationale Funkausstellung, längst nur noch unter dem Kürzel IFA bekannt, betitelt sich selbst als „Global Innovation Show“. Läuft man 2017 durch die riesigen Hallen, mutet dies allerdings durchaus euphemistisch an. Denn echte Innovationen, das Neue, das nie Dagewesene, das ist bei der IFA längst nicht mehr die Norm. Die US-Messe CES in Las Vegas, Anfang des Jahres, hat der deutschen alten Dame an dieser Stelle längst den Rang abgelaufen.

Der Stand der Dinge

Das heißt natürlich nicht, dass die IFA nicht trotzdem ein Schlaraffenland für alle Technik-Interessierten ist. Wer wissen will, was technologisch – sei es bei Fernsehern, Smartphones oder Haushaltsgeräten, gerade der Stand der Dinge ist, der kann Stunden und Tage auf der Messe verbringen. Die großen TV-Hersteller Samsung, Panasonic, LG und Sony, aber auch die vielen Herausforderer – von Philips bis Hisense oder der neuen Macht aus China, Skyworth – präsentieren ihr LineUp für das Weihnachtsgeschäft.

Die Fernseher sind in diesem Jahr, natürlich, noch flacher und smarter. Der Trend geht hin zum an der Wand angebrachten quasi unsichtbaren TV. Die Frage ist nicht mehr, wie man den Fernseher möglichst prominent im Wohnzimmer platzieren kann, sondern wie man ihn nach Möglichkeit verschwinden lassen kann, indem etwa im ausgeschalteten Zustand Bilder angezeigt werden, die den Eindruck eines Wandbildes vermitteln. Auf die Spitze treibt das Panasonic mit einem Prototypen, der aus einer Glasscheibe einen OLED-Fernseher macht.

OLED ist – während Curved-TV langsam aber sicher in den verdienten Ruhestand geht – der wichtigste TV-Trend in diesem Jahr. War die OLED-Technologie, die ein enorm verbessertes Bild im Vergleich zu klassischem LCD bietet, in den vergangenen Jahren ein USP (also Alleinstellungsmerkmal) von LG, sind nun bis auf Samsung, die mit QLED an einer gleichwertigen Konkurrenz-Technologie schrauben, alle großen Hersteller auf den Zug aufgesprungen. Panasonic präsentierte seinen ersten OLED bereits im vergangenen Jahr. In diesem Jahr ist nun auch Sony auf den Zug aufgesprungen und sogar die Chinesen und das Traditionshaus Toshiba haben entsprechende TVs nun im Portfolio.

Gute Nachricht für Kunden: Der Konkurrenzkampf treibt die Preise der traditionell sehr teuren Technologie nach unten. OLED-Fernseher in Größen ab 55 Zoll bekommt man in diesem Jahr bereits im niedrigen vierstelligen Bereich. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die TVs unter die magische 1.000-Euro-Grenze fallen – dann wiederum natürlich auf Kosten der Leistung.

LG OLED TV

OLED-TVs kommen 2017 nicht mehr nur von LG, sondern von fast allen relevanten Herstellern (© Christoph Pech)

Smart Home – wann folgen die Kunden?

Das zweite ganz große Thema auf der IFA ist Smart Home. Kaum eine Waschmaschine, kaum ein Kühlschrank, kaum ein Beleuchtungssystem kommt noch ohne intelligente Funktionen aus. Alles soll vernetzt, alles im Handumdrehen per Smartphone steuerbar sein. Siemens hat mit dem iQ500 sogar einen Herd am Stand, der sich per Sprachsteuerung bedienen lässt. Das Problem: Die meisten Hersteller setzen noch immer auf eigene, abgeschlossene Systeme. Der Kunde, der sich aber das Haus nicht mit Geräten nur eines Herstellers einrichten will, spürt dann im Nachhinein, dass keine Vereinfachung eintritt, wenn man doch bloß wieder mehrere Apps braucht und der Miele-Kühlschrank nicht mit dem Grundig-Fernseher kompatibel ist.

Die Möglichkeiten aber, die die IFA für einen smarten Haushalt zeigt, sind spannend und lösen langsam das Versprechen ein, dass der Smart-Boom das Leben tatsächlich leichter und nicht komplizierter macht. Das Weiße-Ware-Highlight dieser IFA ist eindeutig der Dialoggarer: der Ofen von Miele, den man aber nicht Ofen nennen soll, weil er dafür viel zu viel kann. Dieser kann verschiedene Lebensmittel unterschiedlich intensiv garen, je nachdem, wie sie es benötigen. Antennen im Dialoggarer erkennen, wie viel Energie die jeweiligen Lebensmittel brauchen und passt die Intensität der elektromagnetischen Wellen entsprechend individuell an. Das klingt tatsächlich einmal nach Zukunft, soll aber schon ab April 2018 erhältlich sein – für 8.000 Euro.

Roboter Smart Home

Alles wird smarter - Roboter helfen bald überall, auch im Haushalt (© Christoph Pech)

Drohnen, VR und Co. – das Übliche

Ansonsten sieht man auf der IFA viele umherfliegende Drohnen (u. a. ein Star Wars-X-Wing), VR-Brillen, bei denen man lange anstehen muss, um sie auszuprobieren (das Thema kommt langsam beim Konsumenten an), immer mehr tanzende und rollende Roboter und eine überraschende Fülle an Retro-Elektronik – Plattenspieler, Jukeboxen und Kofferradios haben wieder ein Publikum. Alexa und der Google Assistant sind sowieso überall, selbst wenn Amazon und Google selbst auf der Messe eher unter dem Radar laufen. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt den Weg hin zu offenen, vernetzten Systemen, ein Weg, dem sich Apple mit Siri (noch?) verschließt.

Jukeboxen

Kein Bld aus den 50ern, sondern von der IFA 2017 - der Retro-Trend erreicht langsam seinen Höhepunkt (© Christoph Pech)

Am Mittwochabend werden über 1.800 Hersteller auf einer Fläche von 159.000 Quadratmetern etwa 240.000 Besucher begrüßt haben. Viele davon haben dann hoffentlich auch den in diesem Jahr erstmals platzierten Abschnitt IFA Next besucht haben, der zumindest den unbedingten Willen der Verantwortlichen zur Innovation belegen. Am Erfolg wird es so oder so nicht mangeln: In diesem Jahr wird im Bereich der Unterhaltungselektronik ein globaler Umsatz von 887 Milliarden Euro erwartet – die Branche boomt, auch ohne Wow-Effekt.

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