„Einer der größten Betrugsfälle seiner Art“

Millionen-Betrug mit 76.000 Fake-Shops – Betrüger aus China locken Hunderttausende Opfer

Veröffentlicht: 08.05.2024 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 08.05.2024
Hände an einer Tastatur: Unbekannte aus China haben mit Fake-Shops Hunderttausende Opfer gefunden – auch in Deutschland

Immer wieder lassen Betrugsmaschen aufhorchen, bei denen gefälschte Online-Shops erstellt und arglose Kundinnen und Kunden um Geld, Kartendaten und andere sensible persönliche Informationen gebracht werden. 

Ein aktueller Fall sticht allerdings deutlich aus der Masse heraus – weil er an Professionalität und Reichweite seinesgleichen sucht: 2015 soll ein Betrugsnetzwerk aus China offenbar mit der massenhaften Produktion von Fake-Shops begonnen und bisher immense Opferzahlen hinterlassen haben.

Eine hoch professionelle Betrugsmasche

Konkret geht es um mehr als 800.000 betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere in Europa und den USA, die von den Betrügern mit gefälschten Markenshops getäuscht wurden: Sie hinterließen nicht nur ihre E-Mail-Adressen, sondern auch ihren Namen, die Telefonnummern sowie postalische Adressen. 

Darüber hinaus gaben rund 476.000 Opfer ihre Debit- und Kreditkartendaten an die Täter weiter – inklusive der entsprechenden Sicherheitsnummern. Nach Einschätzung von Experten kommen solche gesammelten Daten häufig später noch zum Einsatz, wodurch das Risiko für die Betroffenen steige, künftig Opfer von Phishing-Versuchen zu werden. Selbst die Überwachung der Betroffenen durch ausländische Geheimdienste sei denkbar.

Für die Täter ein Millionen-Geschäft

Wie massiv das betrügerische Engagement des Netzwerks ist, zeigt außerdem die Fülle an Fake-Shops: Mindestens 76.000 falsche Online-Auftritte sollen bisher erstellt worden sein. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden mehr als eine Million Bestellungen über die Fake-Shops abgewickelt. Speziell aus Deutschland seien laut dem Recherche-Team mehr als 100.000 Bestellversuche registriert worden. 

Das Kuriose: Nicht immer seien Zahlungen der Opfer durch die Täter auch tatsächlich abgewickelt worden. „Aber Analysen deuten darauf hin, dass die Gruppe in diesem Zeitraum möglicherweise versucht hat, bis zu 50 Millionen Euro einzunehmen“, schreibt der Guardian. In den meisten Fällen hätten betroffene Verbraucher die bestellten Produkte nicht erhalten. Aus Gesprächen mit Opfern gehe zudem hervor, dass es auch Fälle gegeben habe, in denen gefälschte Waren versendet wurden.

In solchen Fällen, in denen die Opfer zwar persönliche Informationen und Zahlungsdaten angaben, aber nicht um Geld betrogen wurden, wird vermutet, dass entweder Banken eingriffen und entsprechende Zahlungen blockierten oder die Täter die Transaktionen einfach nicht vollständig finalisierten. So der so, die sensiblen Daten der Betroffenen sind abgeflossen ...

 

Länderübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht Offenlegung des Systems

Dass die Machenschaften des agierenden Fake-Shop-Netzwerks überhaupt ans Licht kamen, ist dem deutschen Cybersicherheitsspezialisten Security Research Labs (SR Labs) zu verdanken. Dieser hatte mehrere Gigabyte entsprechender Daten gesammelt und diese dann mit der deutschen Zeitung Die Zeit geteilt. Auf Basis einer nachfolgenden, gemeinsamen Recherche mit dem britischen Guardian und dem französischen Le Monde konnten nun Einblicke in das Vorgehen des Betrugsnetzwerks gegeben werden. 

Im Resultat ergibt sich das Bild eines hoch komplexen und hoch professionalisierten Vorgehens der Täter, das der Berufsverband CTSI (Chartered Trading Standards Institute) als „einen der größten Betrugsfälle seiner Art“ bezeichnet hat, so der Guardian.

Viele Fake-Shops sind noch aktiv

Die Recherche habe darüber hinaus ergeben, dass die Täter aktuell noch am Werk sind: Der Betrieb des Netzwerks, dessen Kern sich nach China zurückverfolgen lässt, sei zum einen gut organisiert, zum anderen seien die Täter technisch versiert. Von den Zehntausenden gefälschten Shops, die im Laufe der Jahre ans Netz gingen, seien nach aktuellem Stand wohl noch mehr als 22.500 in Betrieb.

Die Fake-Shops werden dabei „im industriellen Maßstab“ erstellt. Sie missbrauchen namhafte Luxusmarken wie Prada, Dior und Versace oder Nike, Hugo Boss und Lacoste und gaukeln den potenziellen Opfern vor, entsprechende Markenprodukte zu reduzierten Preisen anzubieten. Die Zeit nennt es „eine regelrechte Fabrik für Fake-Seiten made in China“.

Fake-Shops als Dienstleistung für andere Täter

Problematisch sei auch, dass nicht nur die zentrale Gruppe von Entwicklern, die die Fake-Shops erstellt, an der Betrugsmasche beteiligt ist: Sie stelle das Fake-Shop-Geschäft auch anderen Kriminellen und Gruppierungen als Dienst zur Verfügung. „Den Protokollen zufolge haben seit 2015 mindestens 210 Benutzer auf das System zugegriffen“, so die Recherchen weiter.

Um eine möglichst breite Masse an Kundinnen und Kunden zu erreichen, gehen die gefälschten Online-Shops in verschiedenen Sprach-Varianten online, etwa auf Deutsch, Englisch und Französisch, Italienisch, Spanisch und Schwedisch.

Sie wollen immer über die neuesten Entwicklungen im Online-Handel informiert sein? Mit unseren Newslettern erhalten Sie die wichtigsten Top-News und spannende Hintergründe direkt in Ihr E-Mail-Postfach – Jetzt abonnieren!

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Tina Plewinski

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.