Produkt-Platzierungen

Geldmaschine Entertainment: Wie mit Werbung in Serien Millionen verdient werden

Veröffentlicht: 11.07.2023 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 11.07.2023
Geldscheine vor Streamingdiensten

Das lineare Fernsehen hat zunehmend ausgedient. Der Hauptgrund dafür dürfte in erster Linie das Thema Verfügbarkeit sein – so möchten Zuschauer:innen gerne dann ihre Sendung sehen, wenn sie es sich wünschen. Doch es lässt sich nicht bestreiten, dass die meisten sich auch darüber freuen, weniger Werbung sehen zu müssen. Während Werbefirmen wie auch Streaming-Anbieter mittlerweile Mittel und Wege suchen, um den klassischen Werbeblock wieder salonfähig zu machen, stellt sich die Frage: War Werbung eigentlich je wirklich weg? Oder war sie einfach nur anders platziert?

Emily in Advertise-Land

Haben Sie schon einmal von der Netflix-Serie „Emily in Paris“ gehört? Falls nicht, seien Sie froh, Sie haben nichts verpasst. Die Serie erhitzt seit 2020 die Gemüter und hat wie keine zuvor den Begriff „Hate Watching“ geprägt: Es ist wie ein Unfall, aber irgendwie schaut man trotzdem zu. Der latente Rassismus der Serie führte nach Ausstrahlung der zweiten Staffel sogar dazu, dass die ukrainische Regierung Beschwerde bei Netflix einreichte (der Guardian berichtete). 

Und trotz dieses und vieler anderer Skandale hält Netflix partout an der Serie fest. Warum? Ganz einfach: Werbe-Einnahmen. Denn abgesehen von der offensichtlichen Zurschaustellung diverser Designer-Kleider ermöglicht der Umstand, dass die titelgebende Emily in einer Werbefirma arbeitet, auch die Einbindung schier niemals endender weiterer bekannter Marken. 

So soll Emily in Staffel drei beispielsweise den Markteintritt eines neuen französischen Burgers bei McDonald’s begleiten. Die besagte Episode ist zwischen von Charakteren schamlos ausgesprochenen Werbeslogans und elegant inszenierten Besuchen in der glorifizierten Burger-Bude nicht viel mehr als ein langer Werbespot. Laut dem Branchen-Magazin Variety wurde die Staffel binnen fünf Tagen ganz 117,6 Millionen Minuten gestreamt. Das sind sehr, sehr viele, erfolgreich platzierte Werbespots für McDonald’s. 

Es zieht sich wie ein Faden durch die gesamte Serie: Emily arbeitet für AirFrance, Emily arbeitet für McLaren und so weiter. Das Ganze geht so weit, dass das französische Finanzmagazin Les Echo die Serie sogar als die „Nummer Eins Adresse für Advertiser“ betitelte.

Volle Flexibilität durch virtuelle Produkt-Platzierungen

Im Gegensatz zu Streamingdiensten wie Disney+ oder Amazon Prime Video hat Netflix kein milliardenschweres Unternehmen im Rücken, das dabei hilft, ohne das Ausspielen von Werbeblöcken auszukommen. Deswegen lassen sich bei Netflix auch entsprechend viele Beispiele derartiger Produkt-Platzierungen finden. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass Disney und Prime diese nicht ebenso nutzen. 

So stellte Amazon vergangenes Jahr mit dem Werbeprodukt Virtual Product Placement (VPP) sogar ein ganz neues Angebot vor: Dabei werden beispielsweise leere Werbetafeln, Plakatwände oder Monitore in bereits gedrehten Medien nachträglich mit Werbeplatzierungen versehen. Diese Technologie vereinfacht das Prozedere unermesslich. Anstatt die Kooperation tatsächlich irgendwie ins Skript schreiben und bereits beim Dreh beachten zu müssen, können jetzt ganz einfach im Nachgang und theoretisch sogar wechselnde Kooperationen eingebunden werden. 

In beliebten Shows wie „Tom Clancy’s: Jack Ryan“ oder „Bosch“ wurden testweise Packungen oder Plakate der Schokoladenmarke M&Ms platziert. Bereits nach einer Beta-Testphase konnte eine 15-prozentige Steigerung der Kaufabsicht für die gezeigten Produkte festgestellt werden, wie TechCrunch berichtete

Werbeformate im Vergleich

Nun muss man aber einräumen, dass wir durch Produkt-Platzierungen zwar Marken durchaus wahrnehmen, jedoch nicht ansatzweise so direkt zum Kauf animiert werden wie durch Werbespots. Echte Fans kaufen sich vielleicht eine bestimmte Sonnenbrille, weil die Lieblingsperson aus einer bestimmten Serie diese immer trägt, oder lassen sich von deren Mode-Stil beeinflussen. Aber alles in allem sind Produkt-Platzierungen eher eine unterschwellige Form der Kauf-Animation.

Was nicht heißt, dass dabei nicht die Kassen klingeln. Laut einer Erhebung von PQ Media lag der weltweite Umsatz durch Produkt-Platzierungen 2021 bei knapp 23 Milliarden US-Dollar. Nur ein Jahr später, 2022, konnten bereits über 26 Milliarden US-Dollar umgesetzt werden. 

Doch zum Vergleich: Klassische Werbespots konnten 2022 mehr als 155 Milliarden US-Dollar generieren (Erhebung von GroupM via Statista). Denn diese Spots stellen natürlich die Marke in den Vordergrund. Dadurch wird die Brand-Awareness deutlich aktiver gesteigert, als durch eine zufällig im Hintergrund liegende M&Ms-Packung.

Marken müssen also abwägen, wie direkt sie ihre Werbung platzieren wollen. Produkt-Platzierungen eignen sich dabei auch deutlich mehr für große und etablierte Marken, die man vielleicht bereits am Design oder in reduzierter Darstellung, im Hintergrund, erkennt. Junge Marken hinegen, die sich erst etablieren müssen, laufen mit einem eingängigen Jingle im klassischen Werbeblock meist erst einmal besser. 

Der Mix macht’s

Beide Werbeformate haben dank belegbarer Umsatzsteigerungen ihre Daseinsberechtigung und werden sich daher weder ablösen noch kannibalisieren. Ein Trend, der sich jedoch abzeichnet, ist, dass mittlerweile auch viele Streaming-Anbieter wieder verstärkt auf den klassischen Werbeblock setzen. So haben inzwischen Netflix wie auch Prime ein zusätzliches Modell, welches sich durch Werbung finanziert und dafür mit geringeren oder gar keinen monatlichen Gebühren berechnet wird.

Einen kleinen Shitstorm kassierte in diesem Zusammenhang vor allem Amazon Prime:  Seit Ende des letzten Jahres werden über den Dienst Freevee kostenlose Inhalte angeboten – der Haken ist jedoch, dass diese Inhalte seitdem aus dem kostenpflichtigen Abonnement gestrichen wurden. Heißt: Leute, die Geld für ein Prime-Abo bezahlen, können manche Filme und Serien dort jetzt nicht mehr werbefrei sehen, sondern nur noch – mit Werbung – bei Freevee. 

Anders handhabt das Netflix: Deren Werbe-Abonnement ist schlicht eine abgespeckte Version des vollen Abonnements. Filme und Serien gibt es hier nur bis HD-Qualität und einige exklusive Titel fehlen. Stets in allen werbefinanzierten Formaten mit dabei sind jedoch neben den offensichtlichen Werbespots auch weiterhin Produkt-Platzierungen und garantieren den Anbietern damit doppelte Umsätze. 

Eine seichte Kritik zum Schluss soll erlaubt sein: Zwar hat sich in den letzten Jahren die Medienkompetenz, vor allem junger Leute, deutlich gesteigert, trotz allem lässt sich eine gewisse Doppelmoral nicht von der Hand weisen. Während Influencer:innen in den letzten Jahren wieder und wieder aufgrund mangelnder Werbekennzeichnungen gerügt werden, laufen Serien wie „Emily in Paris“ und Co. schamlos weiter, ohne jedwede Kennzeichnung.

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Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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