Schwitzen.com: Von der eigenen Betroffenheit zum Businessmodell

Veröffentlicht: 01.08.2016 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 01.08.2016

Wer unter Hyperhidrose leidet, also unnatürlich viel schwitzt, ist im gesellschaftlichen Leben oft eingeschränkt. Sascha Ballweg vertreibt in seinem Online-Shop Schwitzen.com lizenzierte Mittel gegen die Krankheit. Aus eigener Betroffenheit hat er in der Nische ein Erfolgsmodell geschaffen.

Schweiß

(Bildquelle Schweiß: Billion Photos via Shutterstock)

30 Grad, die Sonne brennt, nach dem Heimweg mit dem Fahrrad von der Arbeit ist das T-Shirt durchgeschwitzt – ganz normal. Doch manche Menschen müssen gar nicht mehrere Kilometer mit dem Rad fahren oder eine Runde joggen, um richtig zu schwitzen. Schon kleinste Anstrengungen führen zu Schweißausbrüchen. Handflächen oder Füße sind ständig nass. „Menschen, die krankhaft schwitzen, können mit ihren Händen innerhalb einer einzigen Minute eine kleine Pfütze auf die Tischplatte tropfen“, sagt Sascha Ballweg. Die Krankheit nennt sich Hyperhidrose und Ballweg ist selbst Betroffener. Sein Werdegang von der Suche nach einer funktionierenden Behandlung als Jugendlicher hin zum Unternehmer, der mit dem Portal Schwitzen.com erfolgreich lizenzierte Produkte gegen Hyperhidrose vertreibt, zeigt, wie man als Online-Händler in der Nische mit Produkten, die viele im Bekanntenkreis lieber verheimlichen, Erfolg haben kann.

Sascha Ballweg

Vom Selbsthilfeforum zur Geschäftsidee

Von Geburt an hat Ballweg stets mit schweißnassen Händen zu kämpfen und sucht mit seinen Eltern nach einem Mittel, das die Symptome in den Griff bekommt. Dabei irren sie von Arzt zu Arzt, ohne echte Erfolge. „Selbst Dermatologen verfügen in Bezug auf Hyper- oder Bromhidrose nicht immer über ausreichendes Fachwissen. Und zu viele Mediziner neigen dazu, mangelndes Fachwissen mit nutzlosen Floskeln zu überdecken. Ich weiß nicht, wie oft ich bereits von massiv schwitzenden Betroffenen gehört habe, dass sie von ihrem Hautarzt zu hören bekommen haben, dass Schwitzen doch normal sei. Wie gesagt; Wir reden hier von einer anerkannten Krankheit.“ (Bild: © Sascha Ballweg)

Bromhidrose beschreibt krankhaften, übermäßigen Körpergeruch. „Bromhidrose wird von Personen ohne Fachwissen oftmals mit mangelnder Hygiene gleichgesetzt. ‚Der sollte sich mal mehr waschen!‘, ist dann eine oft gehörte und sehr verletzende Aussage unbeteiligter Dritter. Was diese Personen jedoch nicht wissen ist, dass Menschen, die unter einer Bromhidrose leiden, bereits Minuten nach der Körperwäsche wieder anfangen zu stinken.“ Bereits 1997 startet Ballweg, dessen Suche nach einer tragbaren Problemlösung zu diesem Zeitpunkt noch erfolglos ist, ein Selbsthilfeforum im Netz. Tausende Nutzer sammeln sich über die Jahre, die die Anonymität des Internets schätzen und sich gern austauschen und gegenseitig beraten.

Der große Erfolg zieht auch Anbieter an, die ihre Medikamente direkt in der Zielgruppe vertreiben möchten. Jahrelang testet Ballweg alles, was er in die Finger bekommen kann, doch es dauert geschlagene acht Jahre, bis er tatsächlich ein Mittel eines Schweizer Anbieters erwischt, das ihn tatsächlich überzeugt. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland keinen nennenswerten Vertrieb für die Produkte. Da Ballweg wirklich überzeugt ist, nutzt er diesen Umstand, um eine Geschäftsidee zu entwickeln. Daraus entsteht schlussendlich Schwitzen.com, das den Exklusivvertrieb für die Produktlinie übernimmt. Im Jahr 2005 ist ein Nischen-Online-Shop entstanden, in einer Zeit, als sich die Menschen gerade erst daran gewöhnen, dass man auch im Internet einkaufen kann.

 

Screenshot Schwitzen.com

Screenshot, © Schwitzen.com

Kleiner Produktumfang, trotzdem stetiges Wachstum

Wer die Angebotsfülle von Amazon oder selbst klassischer Online-Apotheken gewohnt ist, der ist zunächst überrascht, wie klein das Angebot des Portals ist. Ballweg bietet nicht viele Mittel an und diese auch zu etwas höheren Preisen. Hier greift der enorme Qualitätsanspruch des Gründers. Er bietet nur Produkte, die er selbst getestet und für „herausragend“ befunden hat. Wer auf der Suche nach praktikablen Lösungen ist, der will nicht aus Hunderten Konkurrenzprodukten auswählen, sondern das eine finden, das tatsächlich hilft. Dass da der Preis höher ist als beim vermeintlichen Wundermittel aus der Drogerie, das aber keine Wirkung zeigt, das ist normal und beim Kunden am Ende nebensächlich, solange seine Probleme damit gelöst werden.

Der Erfolg gibt Ballweg recht. Zu Stoßzeiten verkaufen Ballweg und seine gerade einmal drei Mitarbeiter mehrere hundert Artikel pro Tag und generieren täglich bis zu 25.000 Euro Umsatz. Dieser wächst jährlich, teilweise im zweistelligen Prozentbereich. Das zeigt einerseits, dass das Rezept funktioniert und auf der anderen Seite, wie viele Menschen offenbar von Hyperhidrose und Bromhidrose betroffen sind.

Marktplätze und Support

Ballweg geht mit der Zeit und verkauft natürlich auch auf den Marktplätzen von Amazon und Ebay. „Einen weiteren relevanten Player, als Gegenpol zu deren Marktmacht haben wir bislang leider noch nicht finden können.“ Allerdings sieht er die Marktplätze eher als „erweitertes Schaufenster“, denn: „Uns ist in erster Linie wichtig, mit unseren Beratungsleistungen so nah am Kunden wie möglich zu sein. Marktplätze lassen in der Regel nicht jede Art der Kommunikation zu und verhindern manches sogar aktiv. Dazu gehört z. B. das Verbot beziehungsweise das Herausfiltern von E-Mail Adressen oder Links auf externe Seiten.“ Viele Nutzer bevorzugen aber Marktplätze, da sie dort praktischerweise ohnehin angemeldet sind.

Mit den „Beratungsleistungen nah am Kunden“ ist man vor allem auf Schwitzen.com. Die Produkte sind sehr beratungsintensiv, darum bietet man auf dem eigenen Portal den Service, der sich auf Marktplätzen teilweise nur ungenügend umsetzen lässt. Zum umfassenden Supportkonzept gehört eine kostenlose Telefonnummer, E-Mail-Support, ein auftragsgestütztes Ticketsystem, Live-Chat, FAQs, ein automatisierter Produktberater und die Betreuung via Social Media. So funktioniert Kundenbindung, die für einen Nischenshop unerlässlich ist.

Social Media ist allerdings ein heikles Thema. „Obwohl wir augenscheinlich viele Empfehlungen auf privater Ebene erhalten, scheuen sich die meisten Kunden jedoch, unsere Seiten öffentlich zu liken“, so Ballweg. Selbst mit der besten Strategie dürfte es schwierig sein, dies zu ändern, denn seien wir ehrlich: Wir liken auf Facebook Dinge, die wir toll finden, die uns interessieren, aber selten Dinge, die uns peinlich sind. Hyperhidrose und Bromhidrose sind Tabuthemen, die wir lieber für uns behalten.

Unter dem Dach Koerperpflege.com betreibt Ballweg neben Schwitzen.com mit Organicum auch einen Shop für vegane Haarpflege. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Portfolio künftig um zusätzliche Angebote erweitert wird, doch kurzfristig wird das nicht der Fall sein, denn, so Ballweg durchaus freudig: „Um ehrlich zu sein, kommen wir aktuell mit dem Versand der Bestellungen für schwitzen.com und organicum.de kaum nach.“ Die Nachfrage stimmt. Das kleine, aber speziell ausgewählte Angebot auch. Und das Feedback – wenn auch verhalten öffentlich in sozialen Medien, so doch via Bewertung direkt auf Schwitzen.com – stimmt erst recht: Über 14.500 Bewertungen, davon 99,5 Prozent positiv, sprechen eine eindeutige Sprache.

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