Landgericht Bonn

Kein Ordnungsgeld für nicht beantwortete E-Mail

Veröffentlicht: 15.09.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 15.09.2023
Mann in Handschellen hält Bargeld

E-Mail nicht gesehen, in der Folge nicht geantwortet – Zack: Ordnungsgeld. So war es einem Unternehmen geschehen, das jetzt vor dem Landgericht Bonn gegen die zugrundeliegende Ordnungsgeldentscheidung vorging. Zuvor hatte es seinen Jahresabschluss eingereicht, nach Auffassung des Adressaten ergab sich aber eine Rückfrage. Diese wurde per E-Mail verschickt und blieb ohne Antwort des Unternehmens. Daraufhin wurde ein Ordnungsgeld gegen das Unternehmen verhängt – was das Landgericht Bonn jetzt per Beschluss kassierte. Nicht nur sei es sehr fragwürdig, dass eine Nachfrage per E-Mail so weitreichende negative Folgen haben können soll. Die Beantwortung hätte auch keine Informationen geliefert, die nicht sowieso schon vorgelegen hätten (Beschluss v. 1.8.2023, Az. 33 T 52/23). 

Per E-Mail: Behörde fragt lieber nochmal nach 

Kern des Anstoßes war die Offenlegungspflicht für Kapitalgesellschaften. Kleinstkapitalgesellschaften (§267a HGB) können gemäß § 326 Abs. 2 HGB (nur) die Bilanz zur Hinterlegung einreichen. Dafür ist aber erforderlich, dass sie bestimmte Schwellenwerte nicht nur einhalten, sondern diese auch mitteilen. 

Ganz konkret dürfen sie zwei der drei in § 267a Abs. 1 HGB genannten Größenmerkmale nicht überschreiten: 

  • 350.000 Euro Bilanzsumme
  • 700.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor Abschlussstichtag
  • 10 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt

Das Unternehmen in diesem Fall hatte die Bilanz zur Hinterlegung eingereicht und dafür das entsprechende DATEV-Programm genutzt, das auch diese Kennzahlen abfragt. Mit ihrer Bilanzsumme (ca. 411.000 Euro)  lag sie knapp über dem Grenzwert, erfüllte aber die Anforderungen durch Einhalt der anderen beiden Grenzwerte. Da fragte die Behörde aber lieber nochmal per E-Mail nach. Warum es seitens des Unternehmens nicht zur Beantwortung kam, das verrät der Beschluss nicht. Jedenfalls aber kam es dann zu besagtem Bescheid über ein Ordnungsgeld. 

LG Bonn: Es gab überhaupt keinen Anlass zur Nachfrage

Mit dem Vorgehen der Behörde rechnete das LG Bonn, so kann man wohl sagen, ab. Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers hätte zunächst schon aus objektiver Sicht gar keinen Anlass gehabt, bei dem Unternehmen nachzufragen, da die geringfügige Überschreitung der Bilanzsumme dafür spreche, dass es sich tatsächlich um eine Kleinstkapitalgesellschaft handelt. „Aber jedenfalls musste der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers, dem die Funktionsweise des von sehr vielen Einreichern verwendeten Datev-Programms bekannt ist, davon ausgehen, dass er auf eine Nachfrage auch keine andere Antwort erhalten würde, als das, was der Einreicher bereits ins Datev-Programm auf dortige Eingabeaufforderung eingegeben hatte“ – kurzum, dass die beiden anderen Schwellen eben nicht überschritten wurden. 

Die Werte seien für den Betreiber des Bundesanzeigers auch durchaus erkennbar gewesen – zwar nicht direkt aus der eingereichten Bilanz, aber aus der ihm bekannten Funktionsweise des Programms. Nach Auffassung des Gerichts hat es also keinen Anlass zur Nachfrage gegeben, sodass die Nachfrage rechtswidrig war. 

Wenn harsche Konsequenzen, dann bitte auch restriktive Behördenprüfung

Ohnehin sei aber sehr fragwürdig, dass eine Nachfrage per E-Mail, die „vom Empfänger leicht übersehen“ werde, solche rechtlich weitreichenden Folgen haben solle, heißt es nun weiter im Beschluss. Damit widerspricht das Gericht allerdings auch einigen anderen Entscheidungen, wonach „die Nichtbeachtung einer E-Mail eine unwiderlegbare Fiktion begründe, aufgrund derer ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könne, ohne dass dies gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip verstoße“. Zweifel scheint das Gericht an dieser Betrachtungsweise jedenfalls zu haben. Vor diesem Hintergrund sagt es dann auch, dass man dann zumindest dementsprechend kritisch und restriktiv prüfen müsse, ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Nachfrage gegeben sind. 

Fazit: Im Beschluss äußert das Gericht damit ernsthafte Zweifel daran, dass für das Ausbleiben einer Antwort auf solch eine Nachfrage per E-Mail ein Ordnungsgeld verhängt werden können soll. Im Ergebnis stellt es sich dieser Ansicht, wie sie etwa vom OLG Köln vertreten werde, aber nicht entgegen. Angesichts dieser Umstände verlangt es dann aber von der Behörde mehr „Sorgfalt“ – in der Form, dass sie kritisch und restriktiv prüfen muss, ob ihre Nachfrage überhaupt berechtigt wäre. 

Kommentare  

#1 B.O. 2023-09-18 11:21
Woher hatte eine Behörde die @Mailadresse des Kleinstunterneh mens? Ich würde sofort annehmen, dass es eine Phishingmail ist und ab in den Spam damit
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