Bundesarbeitsgericht zu ärztlichen Attesten

Wenn auf die Kündigung die Krankmeldung folgt

Veröffentlicht: 14.12.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 14.12.2023
Schwarz-weiß-Bild eines Mannes im Anzug ohne Kopf, der in der linken Hand einen Kreid mit einem grünen Haken und in der rechten Hand einen Kreis mit einem roten Haken hoch hält.

Wer in Deutschland arbeitsunfähig wird, muss gehaltstechnisch zum Glück nicht in die Röhre schauen. In den ersten sechs Wochen müssen arbeitgebende Unternehmen beim Vorliegen eines ärztlichen Attests das volle Gehalt zahlen. In aller Regel ist dieses Attest auch so hinzunehmen. Man spricht hier auch oft davon, dass das ärztliche Attest einen besonders hohen Beweiswert hat. Dennoch dürfen Führungskräfte das Attest anzweifeln. Liegt ein sachlicher Grund vor, so gilt der Beweiswert als erschüttert. Das Bundesarbeitsgericht hat sich nun mit der Frage beschäftigt, ob dieser Beweiswert erschüttert ist, wenn das Attest zufällig am letzten Arbeitstag endet. 

Der Fall: Krankmeldung bis zum letzten Arbeitstag

Bei dem Urteil geht es um ein Ereignis aus dem Jahr 2021: Der Arbeitnehmer war seit März für Hilfstätigkeiten in einer Zeitarbeitsfirma tätig. Bereits nach einem Monat wurde er nicht mehr eingesetzt. Am 2. Mai reichte der Mitarbeiter einen Krankenschein ein. Wegen einer Infektion der oberen Atemwege war er zunächst bis zum 6. Mai krankgeschrieben. Als die Zeitarbeitsfirma das Attest erhielt, sprach sie ordentlich und fristgerecht die Kündigung zum 31. Mai aus. Mit einem zweiten Attest war der Arbeitnehmer bis zum 20. Mai arbeitsunfähig. Ein drittes Attest bescheinigte ihm schließlich bis zum 31. Mai die Arbeitsunfähigkeit. Zu der Infektion der oberen Atemwege sei ein nicht näher bezeichneter Stresszustand gekommen.

Der Arbeitgeber zweifelte nun aber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) an. Das Misstrauen kam dadurch, dass die AU am letzten Arbeitstag in der Zeitarbeitsfirma endete; der Mitarbeiter aber direkt am Tag danach eine neue Stelle antreten wollte. 

Der Beweiswert der AU sei durch diese Passgenauigkeit erschüttert, argumentierte die Zeitarbeitsfirma und zahlte keinen Lohn. Dagegen klagte der nun Ex-Mitarbeiter und wollte damit eine Auszahlung des Lohnes erwirken. Während er in den ersten zwei Instanzen (Arbeitsgericht Hildesheim, Urt. v. 26.10.2022, Az.: 2 Ca 190/22 und Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urt. v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22) noch gewann, vertrat das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 13.12.2023, Az.: 5 AZR 137/22) nun eine andere Ansicht.

Beweiswert zu Recht angezweifelt

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass der Beweiswert der AU zu Recht von der Zeitarbeitsfirma angezweifelt wurde. Dabei bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung: Bereits 2021 stellte das Gericht fest, dass eine AU in ihrer Beweiskraft erschüttert wird, wenn bei einer Eigenkündigung eine AU am gleichen Tag eingereicht wird.

Wichtig sind die Gesamtumstände des Einzelfalls. In dem aktuellen Fall waren die Zweifel berechtigt, da die AU am letzten Tag endete und der Arbeitnehmer am darauffolgenden Tag die neue Stelle antrat. 

Wie geht es weiter?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Jetzt muss das Landesarbeitsgericht noch mal ran. Aber: Was bedeutet das für den weiteren Verlauf? Dass die Beweiskraft der AU durch diese Umstände erschüttert ist, heißt nicht, dass die Zeitarbeitsfirma den Lohn zu Recht einbehalten hat. Vielmehr muss der Ex-Mitarbeiter nun beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war. Er kann dies auch weiterhin tun, indem er die Einzelheiten seiner Krankheit näher erläutert, ärztliche Befundberichte vorlegt oder den Arzt, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat, als Zeugen im Zahlungsprozess benennt. Den Beweis für seine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit muss der Kläger nun im fortgesetzten Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht erbringen. 

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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