Abmahnung mittels Fakeshop

Abmahnanwalt Sandhage wegen Sittenwidrigkeit verurteilt

Veröffentlicht: 15.02.2024 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 20.02.2024
Rote Boxhandschuhe hängen an dunkler Wand

Dass sie (bewusst oder unbewusst) einen Fehler gemacht haben, sehen die meisten abgemahnten Online-Händler im Abmahnfall noch ein. Dass mit einem kleinen (und subjektiv als unbedeutend empfundenen) Fehler jedoch meist viele Hundert Euro zu zahlen sind, lässt viele am deutschen Rechtssystem zweifeln. Die Meinungen zum Thema Abmahnungen im Online-Handel sind daher verständlicherweise wenig wohlwollend. Wer jedoch einen erheblichen Anteil an diesem Image der Abmahnanwälte hat, ist Rechtsanwalt Gereon Sandhage aus Berlin. Doch der stieß offenbar auf Gegenwehr.

Rechtsanwalt Sandhage: Vorwurf des Rechtsmissbrauchs

Abmahnungen sind eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, um den ordnungsgemäßen Wettbewerb zu sichern und die Konkurrenz auf Verstöße hinzuweisen. Da gibt es nichts zu rütteln. Die Abmahnung muss jedoch aus dem Grund erfolgen, faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. Hat die Abmahnung allein oder ganz überwiegend andere Motive, kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen.

„Rechtsanwalt Sandhage wurde bereits 2014 und 2017 vom Amtsgericht Schöneberg bzw. Landgericht Berlin wegen rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen zu Schadensersatz verurteilt“, schreibt Rechtsanwältin Denise Himburg auf ihrer Kanzleiseite und sorgt damit für viel Freude bei den unzähligen Betroffenen. Nach Ansicht der Gerichte dienten die Abmahnungen über Rechtsanwalt Sandhage ausschließlich dazu, sich durch erhoffte Abmahnkosten bereichern zu können. Zuletzt soll das Amtsgericht Schöneberg Rechtsanwalt Sandhage Mitte 2023 erneut wegen rechtsmissbräuchlicher Abmahnung zur Zahlung von Abwehrkosten verurteilt haben. 

„Als Hüter von Gesetz und Ordnung“ präsentiert

In den Urteilsgründen widmet sich das Gericht sowohl dem Abmahner hinter den Abmahnungen als auch dem Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Sandhage, selbst. Bei der Firma Juwelier Chronotage GmbH handele es sich um einen sogenannten Fakeshop, also einen Shop, dessen Existenz darauf angelegt ist, Abmahnungen aussprechen zu können, um auf diesem Weg Einnahmen erzielen zu können.

Schließlich sei nicht nur das Vorgehen der Juwelier Chronotage GmbH, sondern auch das Vorgehen von Rechtsanwalt Sandhage, der hier direkt verklagt wurde, in der Ausübung seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu qualifizieren, so das Urteil. Er habe unter dem Vorwand der Einhaltung von Wettbewerbsregeln als Hüter von Gesetz und Ordnung agiert, um auf diesem Wege Einnahmen zu erreichen. Gerade ihm als Experten auf dem Gebiet hätte das bewusst sein müssen. „In einem weiteren Klageverfahren gegen Sandhage auf Erstattung von Abwehrkosten zahlte Sandhage kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung die geltend gemachten Abwehrkosten. Ein weiteres Urteil, das ihm Rechtsmissbrauch bescheinigte, wollte er wohl nicht lesen“, schreibt Anwältin Himburg weiter.

Trotz Anti-Abmahngesetz: Warum durfte Rechtsanwalt Sandhage noch abmahnen?

Ende 2020 ist das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft getreten und forderte von da an ein Umdenken der Abmahner – idealerweise durch weniger Abmahnungen. Warum? Abmahnungen, die lediglich fehlende Kennzeichnungs- und Informationspflichten monierten, sollen durch die Änderung des Gesetzes keinen Anreiz mehr bieten. Die Konkurrenz und deren Rechtsbeistände können in der Folge keine Kosten mehr geltend machen. Die Hoffnungen an die Gesetzesänderungen waren jedoch nicht allzu groß.

Und tatsächlich, die Befürchtungen haben sich bestätigt. Abmahnkanzleien wie Rechtsanwalt Sandhage haben neue Schlupflöcher gefunden und fortan Abmahnungen wegen einer fehlenden Registrierung im Verpackungsregister LUCID oder von falschen unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) ausgesprochen. Das sind keine Kennzeichnungs- und Informationspflichten im klassischen Sinne. Daher konnten viele Kanzleien weiterhin ungehindert agieren. 

Was sich jedoch nicht geändert hat, sind die Anforderungen an den Rechtsmissbrauch. Dieser ist nach wie vor nur schwer und immer im Einzelfall nachweisbar. Die im Vergleich zur Masse der ausgesprochenen Abmahnungen wenigen Gerichtsentscheidungen lassen jedoch hoffen. Auch beim Ido Verband haben sich die Profis lange Zeit die Zähne ausgebissen, bis die Gerichte ein Einsehen hatten und sich nach und nach von einem fragwürdigen Geschäftsmodell überzeugen ließen.

Viele Betroffene werden sich nun fragen, ob und wie sie auf diese neue Faktenlage reagieren müssen. Die Antwort darauf haben wir hier vorbereitet.

Lass Abmahner abblitzen

Von allen Unternehmern gefürchtet: Post vom Abmahnanwalt. Abmahnungen gehören leider zum E-Commerce-Alltag. Sie sind nicht nur kostspielig, sie rauben auch Zeit und Nerven. Und wenn man nicht aufpasst, können sich durch ungeprüft abgegebene Unterlassungserklärungen unangenehme rechtliche Folgen entwickeln wie z. B. horrende Vertragsstrafen. Der Händlerbund Abmahnschutz beugt Abmahnungen vor und schützt dich im Abmahnfall, damit du dich aufs Wesentliche konzentrieren kannst — dein Business.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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Kommentare  

#4 Drago 2024-02-22 08:46
Der Sandhage ist lediglich zu Schadenersatz verurteilt worden. Also zur Erstattung von Kosten die die Abgemahnten/der Abgemahnte hatten. Weitere Schäden wurden wohl garnicht verhandelt (Zeit und Ärger, schlaflose Nächte, Blockierung des normalen Lebens durch Wut oder Trauer ...).

Also nach meinem und der meisten Menschen Rechtsverständn is ist das eher als Betrug zu werten und es ist doch so klar wie Klosbrühe:
Wer eine Scheinfirma etabliert um damit ein Geschäft anzuwerfen, welches ja auch eindeutig erkannt wurde als .... Das für einen RA und das über eigentlich solche im Rang von Schutzbefohlene n, der ist doch auch ansonsten zu bestrafen, am besten gleich mit Entzug der Bef. zum RA. Warum hier bei einem RA eine Ausnahme gemacht wird ist mir als geistig regem und aufmerksamen und gebildetem Menschen mit genug Verschaltugen im Hirn vollkommen schleierhaft.

Das ist einfach eine Lücke im Gesetz oder alle Richter im Falle der Verfahren gegen Sandhagehandeln handeln mal wieder mit den Richtern durchgängigem Scheuklappenbli ck auf den und genau den Verhandlungsgru nd. Es ist ekelig. Null Rückgrat und salomonischer Weitsicht. Dabei ist der Richter doch frei und muss keine angst vor Regress usw. haben. Also eben kein Rückgrat.
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#3 M.M. 2024-02-19 06:36
Jeder Arzt der seine Kunst mißbraucht verliert die Approbation. Anwälte dürfen weiterhin und wie seit der "guten" alten Zeit (fällt eigentlich mal irgendwem auf, dass es noch viel Nazi-Recht in den Gesetzesbüchern gibt?) weiter machen, wie sie wollen. Warum entzieht man solchen nicht einfach das Recht Abmahnungen zu schreiben? Man muß ja nicht gleich die Arbeitserlaubni s, aber es gibt für so Welche genug andere Rechtsgebiete auf die sie ausweichen könnten.
Sorry, aber ich gehöre leider zu den sehr vielen, die es hier extrem über haben, aber gleichzeitig auch längst die Hoffnung verloren haben, dass sich in Deutschland nichts verbessern wird, bzw. verschlimmbesse rn ist hier seit Jahrzenten die Parole und wird es auch weiter bleiben.
Sag ich mal als jemand mit 15 Jahren Onlineshop und schon mal einem verlorenen Prozeß gegen einen Abmahnprozeß gegen ein Apotheker-Anwal ts-Betrügerduo, wo der Betrug sowas von offensichtlich war, aber wir leben halt in Deutschland.
Schon mal jemandem aufgefallen, dass Onlineshops gerade im Gesundheitsbere ich, mit deutschen Inhabern, die nicht ganz lebensmüde sind, ihren Versand in den Niederlanden eröffnen? Und wieder Tschüß, deutsche Arbeitsplätze..
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#2 Drago 2024-02-17 10:53
Das neue Gesetz ist doch nur Pillepalle, ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Juristerei ist eh nur eine "Wissenschaft", die auf ihre eigens von Juristen geschaffene Logik aufbaut, die verdreht ist und so oft durch sich selbst verkehrt ist, dass man sich allen ernstes fragen muss, warum die Politik als derjenige, der das einfach ändern könnte das überhaupt zulässt.

Was sind das für Menschen, die Falsch und Richtig, Gut und Schlecht, Recht und Unrecht als elementar im Gehirn genetisch und erlernt, nicht in eine Schriftform, eine Anleitung pressen können?
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#1 K.I. 2024-02-16 09:10
Endlich! Bin aber sicher das er weiter machen wird seine Einnahmen auf diese unfaire Art zu erwirtschaften.
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