E-Commerce-Bilanz

Nach 200 Tagen: Das hat die Bundesregierung bisher (nicht) gemacht

Veröffentlicht: 23.06.2022 | Geschrieben von: Patrick Schwalger | Letzte Aktualisierung: 23.06.2022
Reichstagsgebäude in Berlin

Am 25. Juni 2022 wird die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits seit 200 Tagen im Amt sein. Während die Coronakrise wieder abflachte, stellte die russische Invasion der Ukraine die bisher größte Prüfung der jungen Regierung dar. Doch neben allen Krisen und dem weltpolitischen Geschehen muss auch der Regierungsalltag laufen und der Koalitionsvertrag umgesetzt werden. 

Darum schauen wir genauer hin bei den Themen, die Online-Händler und andere kleine und mittelständische Unternehmen betreffen: Welche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung schon angepackt? Wurden überraschende Gesetzesinitiativen vorgestellt? Und wo herrscht noch Untätigkeit und was kommt noch auf uns zu? 

Online-Handel ist noch nicht im Fokus der Bundesregierung

Insgesamt hat die Bundesregierung noch nicht viele Vorhaben gestartet, die explizit mit dem Online-Handel zu tun haben. Die großen Änderungen der letzten Wochen und Monate – wie etwa die Umsetzung der EU-Omnibus-Richtlinie, die Änderung des Verpackungsgesetzes und das Gesetz für faire Verbraucherverträge – hatte noch die letzte Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verantwortet. 

Die Regierung Scholz hat bisher noch keine explizite Gesetzesänderung für den Online-Handel angestoßen. Im Koalitionsvertrag hieß es, dass die Regierung die „digital gestützte Wertschöpfung” im Handel unterstützen wolle, dass der Online-Handel mit Tieren stärker reguliert werden solle und dass die Ampel-Koalition weitere Vorkehrungen gegen Abmahnmissbrauch untersuchen wolle. Das ist bisher aber noch nicht passiert und es gibt auch noch keine Anzeichen dafür, dass sich dies 2022 ändern wird. 

Bei der Digitalisierung gibt es Fortschritte

Etwas mehr hat sich generell beim Themenkomplex Digitalisierung getan. Zwar gab es nach der Wahl kein neues eigenes Digitalministerium, das sich einige gewünscht haben, und die Aufteilung der Kompetenzen im Bereich Digitalisierung zwischen den einzelnen Bundesministerien erfolgte erst im Juni. Trotzdem wurden hier schon einige Prozesse angestoßen, die Bausteine der Digitalisierung in Deutschland sind. 

So hat das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann (FDP) auf den Weg gebracht, dass Gesetze ab 2023 nur noch digital veröffentlicht werden. Außerdem können Unternehmer ab dem 1. August 2022 eine GmbH komplett online gründen. Das hatte zwar schon die vorherige Bundesregierung beschlossen, doch die Regierung Scholz hatte noch für einige Ergänzungen gesorgt, wie etwa, dass auch Änderungen von Registereintragungen online beglaubigt werden können. Die Bundesnetzagentur einigte sich darüber hinaus mit den Bundesländern auf Mindestwerte für schnelles Internet, auf das die Bürgerinnen und Bürger ein Recht haben. 

Im Arbeitsrecht ändert sich nicht nur der Mindestlohn

Auch das Ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter Hubertus Heil (SPD) hat die ersten 200 Tage der neuen Bundesregierung für Gesetzgebung genutzt. Ab 1. Oktober 2022 wird der Mindestlohn auf 12 Euro steigen und die SPD kann damit eines ihrer größten Wahlversprechen umsetzen. Außerdem setzt das BMAS die europäische Arbeitsbedingungenrichtlinie um. Das wird dazu führen, dass ab 1. August neue Anforderungen und Pflichten für Arbeitgeber hinsichtlich ihrer Arbeitsverträge gelten. 

Abgeschafft wurde im März hingegen die Vorgabe, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten das Arbeiten von Zuhause ermöglichen müssen. Ein Recht auf Home-Office gibt es deshalb aktuell nicht mehr. Arbeitsminister Heil würde so ein Recht jedoch gerne dauerhaft einführen. Sein Ministerium hatte im Januar 2021 auch einen entsprechenden Entwurf veröffentlicht, dieser ist jedoch seitdem nicht im Gesetzgebungsprozess vorangegangen. Ob es 2022 etwas damit wird, ist noch nicht abzusehen. 

Energie wird teurer – die Bundesregierung reagiert

Bei der Bundestagswahl im September 2021 war noch nicht abzusehen, dass die Inflation insbesondere bei Energiepreisen so drastisch steigen würde, wie sie es Anfang 2022 und unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine taten. Neben der Abschaffung der EEG-Umlage ab 1. Juli beschloss die Bundesregierung deswegen ein großes Entlastungspaket, welches das 9-Euro-Ticket im Nahverkehr, die Spritpreisbremse und weitere Unterstützungsleistungen beinhaltete. 

Die Spritpreisbremse hat sich jedoch schnell als großer Flop herausgestellt: Innerhalb kürzester Zeit sind die Preise für Treibstoff trotz der staatlichen Subvention auf das Vorniveau zurückgeschnellt. Profiteure sind die Ölkonzerne, die noch höhere Gewinne als vorher einfahren. Das will sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht länger tatenlos anschauen. Er hat Mitte Juni angekündigt, das Kartellrecht zu ändern, um die Möglichkeit zu haben, Gewinne der Ölkonzerne abzuschöpfen, wenn diese ihre Marktmacht ausnutzen. Die Pläne für die Kartellrechtsänderung werden in der zweiten Hälfte von 2022 erwartet. 

Corona-Regelungen: Rückkehr zur Normalität

Die neue Regierung Scholz ist nach ihrem Amtsantritt zügig dazu übergegangen, Corona-Regelungen rückgängig zu machen. 2G im Einzelhandel wurde schon im Februar abgeschafft und kurz darauf fiel auch die Maskenpflicht in stationären Geschäften weg. Aktuell gilt die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske nur noch im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. 

Besonders kontrovers wurde eine mögliche Impfpflicht diskutiert. Zwischenzeitlich war sogar im Gespräch, eine Corona-Impfpflicht für alle Personen über 18 Jahren einzuführen. Eine allgemeine Impfpflicht wurde am Ende abgelehnt, dennoch führte die Regierung Scholz eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen ein. 

Corona-Hilfen für Unternehmen enden im Juni

Mit der Rückkehr der Normalität enden für viele auch die wirtschaftlichen Belastungen durch die Coronakrise. Darum werden die großen Unterstützungsprogramme der Bundesregierung für Unternehmen im Juni größtenteils auslaufen. Die Überbrückungshilfe IV sowie die Neustarthilfe für Solo-Selbstständige werden nicht über den Juni hinaus verlängert. Allerdings brachten Bundeswirtschaftsminister Habeck und sein Kollege aus dem Finanzministerium, Christian Lindner (FDP), ein neues Hilfsprogramm für Unternehmen auf den Weg, die durch den Krieg in der Ukraine in wirtschaftliche Schieflage geraten. 

Allerdings gibt es immer noch steuerliche Entlastungen, die durch das Corona-Paket des Finanzministeriums geschaffen wurden, das im Mai den Bundestag passierte. Arbeitnehmer können auch für das laufende Jahr 2022 von der Homeoffice-Pauschale bei der Steuererklärung profitieren. Unternehmen sollen mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten gestärkt werden. 

Heiß erwartet: Kommt die Cannabis-Legalisierung auch im Online-Handel? 

Keinen Fortschritt gibt es bisher bei einem der größten Thema der neuen Regierung: Wann wird Cannabis legalisiert? Das Thema beschäftigt nicht nur Konsumenten und Interessierte, sondern auch Geschäftsleute. Vor allem im Online-Handel fragen sich Unternehmer, wie man zu einem zertifizierten Geschäft wird, das Cannabis nach der Legalisierung verkaufen kann. 

Noch ist allerdings Geduld angesagt. Ein Termin für die Legalisierung ist noch lange nicht in Sicht – es gibt noch nicht einmal einen ersten Gesetzentwurf. Zuständig ist dafür das Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD). Immerhin wurde schon ein grober Ausblick gegeben. Im Sommer 2022 sollen die Gespräche zur Legalisierung beginnen. Ein erster Referentenentwurf will das Ministerium in der zweiten Jahreshälfte 2022 veröffentlichen. 

Und ansonsten? Terror, Whistleblower und EU

Ein weiteres Gesetzesvorhaben wird noch im Juni finalisiert: Behörden sollen Hosting-Anbieter anordnen können, dass sie terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde aus dem Netz entfernen müssen. Der entsprechende Gesetzentwurf aus dem Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) setzt eine EU-Regelung um und wird Ende Juni im Bundestag angenommen. 

Wesentlich schlechter im Zeitplan liegt die Bundesregierung mit der Umsetzung der sogenannten EU-Whistleblower-Richtlinie. Demnach hätte die Bundesregierung eigentlich schon im Dezember 2021 ein Gesetz erlassen müssen, das dafür sorgt, dass es in Unternehmen und Behörden wirksame Mechanismen gibt, über die es Hinweisgebern ermöglicht wird, sicher auf Missstände hinzuweisen. Nach dem aktuellen Zeitplan der Bundesregierung wird man dieses Gesetz frühestens im Dezember dieses Jahres fertig haben. 

Nebenbei arbeitet die Bundesregierung über den Rat der Europäischen Union natürlich auch noch an der europäischen Gesetzgebung mit. Ein großer digitalpolitischer Erfolg ist dabei die Einigung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments auf den Digital Services Act, mit dem das Recht im Internet maßgeblich verändert werden wird. Ausstehend ist noch eine Einigung auf den wettbewerbsrechtlichen Digital Markets Act, doch damit wird auch noch im Sommer gerechnet. 

  

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