Gastartikel von Dr. Roger Gothmann

Brexit und die Folgen für Online-Händler

Veröffentlicht: 30.03.2021 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 30.03.2021
Brexit-Reklame

2020 war das Vereinigte Königreich (UK) noch der fünftgrößte Handelspartner Deutschlands: Für rund 67 Milliarden Euro exportierte die deutsche Wirtschaft Güter nach UK. Doch schon hier zeigten sich die Spuren des bevorstehenden Brexits, da dies immerhin ein Rückgang von rund 12 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr war. Die Verkündung eines Brexit-Deals wog viele Handeltreibende in der Sicherheit, dass es einen geordneten weiteren Verlauf geben werde. Doch weit gefehlt.  

Das Chaos seit Anfang 2021 führt uns erschreckend vor Augen, dass Handel im Jahr 2021 alles andere als frei und unkompliziert ist. Wie ist es sonst zu erklären, dass nicht nur viele Händler nicht mehr durchblicken, sondern selbst große Logistiker UK zunächst nicht mehr angesteuert haben? Gerade für viele kleinere oder mittelgroße Handeltreibende, die beispielsweise bislang über Shopsysteme oder Marktplätze nach UK verkauft haben, ist ein wichtiger Absatzmarkt nahezu weggebrochen – aus Angst, etwas Falsches zu tun oder weil unklar ist, was man überhaupt tun muss. Handeltreibende sollten jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen. Wir wollen einen Blick auf die wesentlichen neuralgischen Punkte richten – und was dies für Handeltreibende bedeutet. 

Zoll und Umsatzsteuer – was sich ändert 

Das UK gilt fortan als „Drittland“, und das bringt einiges Neues mit sich. Zwei Hauptthemen stehen für Händler im Fokus: Zoll und Umsatzsteuer. Grundsätzlich müssen Handeltreibende in Zukunft darauf achten, welche Registrierungspflichten es für sie gibt. Beim Thema Zoll geht es beispielsweise darum, sich als Unternehmen beim Zoll für den Warenverkehr mit UK registrieren zu lassen. Ausfuhren müssen stets angemeldet und Zollwerte angegeben werden. Vorsicht ist geboten, wenn Ware aus einem anderen Produktionsland zunächst nach Deutschland eingeführt und dann nach UK weiterverschickt wird – denn dann fällt nicht nur an der EU-Grenze Zoll an, sondern auch nochmal beim Eintritt nach UK. Hier könnte ein Zolllager ein Ausweg sein.

Auch beim Thema Umsatzsteuer gibt es ein paar Dinge zu beachten: Grundsätzlich fällt bei Lieferungen nach UK an der Grenze die Einfuhrumsatzsteuer an, sofern der Warenwert über 135 Britischen Pfund liegt – zum Beispiel bei vielen technischen Gadgets. Eine umsatzsteuerliche Registrierung in UK wäre jedoch nicht nötig, wenn der Logistiker Einfuhrumsatzsteuer und Zoll deklariert und abführt. Eine kleine Differenzierung gibt es bei Warenlieferungen unter 135 Pfund – nämlich ob der Verkauf über einen Marktplatz oder einen Webshop erfolgt. Beispiel: Ein Händler vertreibt Socken nach UK über einen Marktplatz wie Amazon & Co, der Warenwert bleibt unter 135 Pfund. Dann zahlt der Händler zum einen keine Einfuhrumsatzsteuer, zum anderen ist der Marktplatz in der Pflicht, die britische Umsatzsteuer direkt abzuführen. Werden die Socken über einen eigenen Web-Shop nach UK vertrieben, muss der Handeltreibende die britische Umsatzsteuer selbst abführen. 

Informationsdichte wird besser, Technologie hilft

Ganz klar, hier kann es schnell herausfordernd werden. Doch es ist nicht unlösbar. Was Registrierungspflichten für Zollanmeldungen angeht, gibt es inzwischen viele Checklisten und Hinweise im Internet, etwa bei den Industrie- und Handelskammern. Doch gibt es gleichzeitig noch viel Potenzial, mithilfe von Technologie die individuellen Zoll-Registrierungspflichten zu identifizieren und Prozesse zu automatisieren, wo immer möglich. Beim Thema Umsatzsteuer sind die Entwicklungen indessen schon weiter. Hier zeigt sich bereits, dass automatisierte Prozesse nicht nur weniger fehleranfällig sind, sondern auch eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis für Händler mit sich bringen können. 

Der Brexit stellt für den internationalen E-Commerce eine große Herausforderung dar. Dass Dinge komplex sind, gerade wenn es um Regularien geht, liegt in der Natur der Sache. Doch auf einem ganz anderen Blatt steht, wie man komplexe Regularien in der alltäglichen Praxis umsetzt. Nach anfänglicher Lähmung gilt es für alle Handeltreibenden, den Brexit anzunehmen und den Handel mit UK wieder in den Fokus zu rücken. 


Dr. Roger Gothmann Taxdoo

Über den Autor

Dr. Roger Gothmann ist Co-Founder und Geschäftsführer der Compliance-Plattform Taxdoo, über die Onlinehändler aller Größen ihre Umsatzsteuer im EU-Ausland sowie ihre Finanzbuchhaltung automatisiert abwickeln können. Roger hat viele Jahre Erfahrung auf Ebene von Bundes- und Landesfinanzverwaltungen. 

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