Gastbeitrag

Neue Regeln bei Produkt-Zusatzversicherungen: Wann werden Händler zum Versicherungsvermittler?

Veröffentlicht: 12.09.2023 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 12.09.2023
Roter Regenschirm über Holzfiguren

Produkte mit zusätzlichen Versicherungen kombinieren: Für viele Händler ist dies ein attraktives Zusatzgeschäft. Doch seit einer Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Juli gibt es dafür neue rechtliche Regelungen. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten viele Händler künftig als Versicherungsvermittler gelten. Udo Pickartz, Counsel mit Schwerpunkt Versicherungsrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons am Standort Düsseldorf, erklärt, was es damit auf sich hat und wann sich eine Registrierung als Versicherungsvermittler trotz zusätzlichem Aufwand lohnen dürfte.

Gruppenversicherung – Das steckt dahinter

OnlinehändlerNews: Die Margen sind bei vielen Händlern nicht gerade üppig. Einige bieten häufig zusätzlich Versicherungen für ihre Produkte an, um die Marge zu erhöhen. Doch da kommen nun einige Veränderungen auf Händler zu.

Udo Pickartz: Das ist richtig. Und de facto sind die Veränderungen schon jetzt da. Denn Anfang Juli hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Nachgang zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2022 das Thema Gruppenversicherungen neu geregelt. Das bedeutet, wer als Händler zusätzliche Versicherungen anbietet, könnte unter bestimmten Voraussetzungen unter den Status eines Versicherungsvermittlers fallen. Die Folge wären eine Registrierungspflicht sowie weitere Anforderungen. Die Änderungen sind mit dem BaFin-Schreiben im Juli unmittelbar in Kraft getreten.

Was hat es genau mit Gruppenversicherungen auf sich?

Gruppenversicherungen sind Versicherungsverträge, die es einem Unternehmen oder auch einem Verein ermöglichen, eine bestimmte Gruppe von Personen in den Vertrag aufzunehmen. Dabei teilen sich die Mitglieder der Gruppe gemeinsam die Versicherungsleistungen und -kosten. Dieses Konzept zielt darauf ab, Versicherungsschutz für eine größere Anzahl von Menschen bereitzustellen, indem sie sich als Teil einer Gemeinschaft versichern.

Was den Handel angeht, ist die Vermittlung von Gruppenpolicen am wahrscheinlichsten bei Produkten, bei denen Händler Kunden möglichst langfristig binden wollen.

Welche Händler bieten Gruppenversicherungen hauptsächlich an?

Beispiele für Gruppenversicherungen sind Elektronikversicherungen, die mit dem Kauf eines Handys angeboten werden. Das heißt, ein Händler packt zum Beispiel die Versicherung für einen langfristigen Schutz gegen den Diebstahl des Handys oder auch gegen den Bruch des Displays als „Add-On“ dazu. 

Ein anderes Beispiel ist, wenn etwa beim Brillenverkauf eine Zusatzversicherung gegen Glasbruch angeboten wird. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Anzahl von Gruppenversicherungen im Handel in den letzten Jahren zugenommen hat, gerade weil zusätzliche Erträge dadurch möglich sind.

So wird aus dem Händler ein Versicherungsvermittler

Fällt künftig jeder Händler, der Gruppenversicherungen anbietet, in den Bereich eines Versicherungsvermittlers?

Nein, denn bei der Beurteilung, ob ein Händler tatsächlich als Versicherungsvermittler agiert, kommt es auf die Details an. Entscheidend ist, ob ein Händler für die „Vermittlung“ ein Entgelt – meist vom Versicherer – bekommt, und somit einen finanziellen Mehrwert hat. Wenn ein Händler hingegen eine Versicherung anbietet und dabei nur die tatsächlichen Kosten der Versicherungsprämie an den Kunden weitergibt, dann fällt er nicht unter die Regelung – weil er davon nicht finanziell profitiert. 

Auch in dem Fall, dass die Versicherung nicht freiwillig hinzubuchbar ist, sondern fester Bestandteil einer Leistung ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass keine spezielle Beratung oder Vermittlung vorliegt. Und falls die versicherte Person direkt Leistungen vom Versicherer erhält, liegt seitens des Händlers auch kein Merkmal als Versicherungsvermittler vor. Aus meiner Sicht dürfte aber vor allem der Punkt des finanziellen Zusatzertrags entscheidend sein.

Angenommen, ein Händler fällt in den Bereich des Versicherungsvermittlers: Was muss er tun?

Der Händler muss eine Vermittlerlizenz bei der für ihn zuständigen Industrie- und Handelskammer beantragen. Dazu müssen Formulare ausgefüllt und die sogenannte Sachkunde nachgewiesen werden. Ein Führungszeugnis und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts sind ebenfalls vorzulegen. Hinzu kommt der Nachweis über eine Berufshaftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler. Das mag etwas „Papierkram“ sein, ist per se aber nicht allzu komplex.

Was ist beim Status als Versicherungsvermittler noch zu beachten?

Derjenige, für den die Vermittlererlaubnis gilt, ist beispielsweise verpflichtet, sich regelmäßig weiterzubilden. Das dürfte zusätzliche Kosten sowie zeitlichen Aufwand – mindestens etwa 15 Stunden pro Jahr – mit sich bringen. Auch sollte man sich vorher gut überlegen, für wen die Vermittlerlizenz, die eine personenbezogene Lizenz ist, gelten soll. Das muss nicht immer der Geschäftsführer oder Inhaber sein. Aber falls die Person, für die die Lizenz gilt, eines Tages das Unternehmen verlässt, dann müsste die Lizenz neu für eine andere Person beantragt werden.

Was empfehlen Sie Händlern: Lohnt sich der Aufwand?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Es kommt sicher auf eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung an. Sofern aus Sicht des Händlers ein substanzieller Ertrag daraus generiert werden kann, sollten die Anforderungen dem nicht entgegenstehen. Wer dies als Händler nur hin und wieder anbietet, müsste sich überlegen, ob er es ganz, also in größerem Umfang, oder gar nicht macht. Es ist daher eine strategische Entscheidung, ob dies ein relevanter Geschäftsbereich ist oder werden soll, oder nicht.

Grundsätzlich muss man aber sehen, dass in vielen Handelssegmenten die Margen unter Druck sind. Zusätzliche Ertragsquellen, wie etwa in Form von Vermittlungsprovisionen, dürften daher attraktiv bleiben. 

Über den Interviewpartner

Udo Pickartz

Udo Pickartz ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro von Simmons & Simmons und innerhalb der deutschen Dispute-Resolution-Praxis spezialisiert auf Versicherungs- und Compliance-Fragen. Er vertritt nationale und internationale Unternehmen, insbesondere aus dem Versicherungs- und Finanzdienstleistungssektor. 

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