Dreist oder berechtigt?

Kundin will für unvollständige Retoure ein weiteres Rücksendeetikett 

Veröffentlicht: 28.11.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 28.11.2023
Kaputte Nagelschere auf weißem Hintergrund
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt?“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

Nach einer kleinen Pause geht es in dieser Woche wieder um das Gewährleistungsrecht: Eine Kundin bestellt in einem Online-Shop eine Schere. Schon nach kurzer Zeit fällt diese auseinander. Die Schraube, mit der die beiden Schneiden zusammengesetzt war, hatte einen Materialfehler. Die Kundin meldet sich direkt beim Händler, der den Mangel einräumt. Sie soll die kaputte Schere komplett zurücksenden und bekommt direkt eine Neue.

Für die Rücksendung stellt der Händler ein Label zur Verfügung. In dem Päckchen findet der Händler aber nur die Hälfte der Schere. Er wendet sich an die Kundin, die zugibt, nachlässig gewesen zu sein. Die zweite Hälfte liegt noch bei ihr. Diese soll sie nun zurücksenden. „Gern“, schreibt sie. „Wenn Sie mir dafür ein neues Rücksendeetikett auf Ihre Kosten zur Verfügung stellen.“ Dreist oder berechtigt?

Grundsatz: Für Sachmängel haftet der Händler

Anders als beim Widerrufsrecht, können Unternehmen nicht festlegen, wer bei einem Sachmangel die Kosten für die Rücksendung übernehmen soll. Da ein Sachmangel immer einen Bruch des Kaufvertrages darstellt, muss das Unternehmen alle damit zusammenhängenden Kosten übernehmen. Dazu gehört auch der Rückversand.

Übrigens: Bevor Händler:innen einen Sachmangel einräumen, muss ihnen die Gelegenheit gegeben werden, das Produkt zu überprüfen. Immerhin kann der behauptete Mangel auch lediglich die Folge eines unsachgemäßen Gebrauches sein. Für diese Überprüfung muss die Ware natürlich auch erst einmal zum Unternehmen.

Wer bezahlt diesen Weg eigentlich, wenn noch gar nicht feststeht, dass es um einen Sachmangel geht? Der § 475 Abs. 6 BGB regelt dazu, dass Verbraucher:innen von Unternehmen einen Vorschuss der Versandkosten verlangen können. Stellt sich nach der Überprüfung heraus, dass doch kein Mangel vorliegt, müssen die Kosten für das Hin und Her von der Kundschaft getragen werden. 

Fazit: Schusselige Kundin muss Mehrkosten zahlen

Was aber bedeutet das für diesen Fall? Im ersten Moment könnte man denken: Naja, die Schere ist ja immer noch mangelhaft, also muss der Händler auch für den zweiten Versand aufkommen. Zum Glück ist das nicht so: Die Kundin hat auch als Verbraucherin Sorgfaltspflichten zu beachten und dazu gehört, dass sie das mangelhafte Produkt vollständig zurücksendet. Anders als der Sachmangel liegt die Schusseligkeit der Kundin nicht in der Verantwortung des Händlers. Entsprechend muss sie die Kosten für den zweiten Versand übernehmen und kann kein Rücksendeetikett verlangen. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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Kommentare  

#2 Jens 2023-11-29 15:04
den Fall hatte ich auch schon und habe darauf bestanden, dass der Kunde die Fehlteile auf seine Kosten zurückschickt.. was auch geschehen ist. Den Druck konnte ich aber nur aufbauen, da die Möglichkeit, dass der Kunde sein Geld über den Zahlungsanbiete r zurückfordert, nicht mehr gegeben war und die Ersatzlieferung noch nicht raus war.

Für alle anderen Fälle haben wir Händler - wie meistens - das Nachsehen.
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#1 michael 2023-11-29 10:15
Aber wie man Onlinekunden kennt, wird Sie das einfach nicht machen und der Händler bleibt auf einer Ware sitzen, die er nicht beim Hersteller reklamieren kann...

Was hat man als Händler für "Druckmittel" um sein Recht durchsetzen zu können?
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