Veröffentlichung von Gerichtsakten

Chefredakteur Semsrott von FragDenStaat angeklagt

Veröffentlicht: 21.02.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 21.02.2024
Scherenschnitt eines Kopfes mit einem roten Kreuz über dem Mund

Die Plattform FragDenStaat betrachtet sich als zentrale Anlaufstelle für Informationsfreiheit, die sich darauf konzentriert, Informationen zu veröffentlichen, die sonst nicht leicht öffentlich zugänglich wären. Im vergangenen Jahr sorgte eine Veröffentlichung für Aufsehen, die nun strafrechtliche Konsequenzen für den Chefredakteur Arne Semsrott nach sich zieht.

Ist die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung?

Im vergangenen August 2023 wurden auf der Plattform FragDenStaat drei Gerichtsbeschlüsse aus Bayern veröffentlicht, die sich alle gegen die Gruppe „Letzte Generation“ richteten. Diese Dokumente umfassten einen Beschluss zur Telefonüberwachung, einen Durchsuchungsbeschluss und die Beschlagnahme der Domain „letztegeneration.de“. Alle diese Maßnahmen basierten auf der Feststellung, dass es sich bei der „Letzten Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handele. Die Bildung oder Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung ist gemäß § 129 des Strafgesetzbuchs mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt. Arne Semsrott monierte, dass die Münchner Ermittlungsrichter sich bei der juristischen Begründung „nur wenig Mühe“ gegeben hätten. Die Veröffentlichung stieß auf ein breites öffentliches Interesse und sorgte für eine Debatte.

Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen ist eine Straftat

FragDenStaat nutzte die Beschlüsse auch, um auf einen anderen Umstand aufmerksam zu machen: Die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten aus Strafverfahren ist strafbar. Dabei verweist Semsrott auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach die Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren nur dann verboten ist, wenn sie die Wahrheitsfindung der Gerichte oder die Unschuldsvermutung beeinträchtigt. Tatsächlich urteilte der EGMR in seinem Urteil vom 28. Juni 2011, dass es legitim ist, wenn Journalist:innen darauf hinweisen, dass ihre Nachrichten präzise und authentisch sind, wobei die Veröffentlichung von Gerichtsakten unter Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten notwendig sein kann.

Wie Netzpolitik nun berichtet, wurde Arne Semsrott vor dem Landgericht Berlin angeklagt. Der Redakteur dürfte diesen Umstand nutzen, um weiterhin auf den Paragrafen und die damit verbundene Einschränkung der Pressefreiheit hinzuweisen: „Es ist ein Skandal, dass der Gesetzgeber noch immer nicht die Norm gestrichen hat oder wenigstens eine Ausnahme zugunsten der Pressefreiheit eingeführt hat“, wird er dazu zitiert.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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