„Parallelen zu Alkohol und anderen Drogen“

Klage der EU: TikTok soll abhängig machen, wie eine Droge

Veröffentlicht: 22.02.2024 | Geschrieben von: Hanna Hillnhütter | Letzte Aktualisierung: 22.02.2024
Frau im Bett am Handy

Die Video-App aus China ist immer wieder in der Kritik. Zuletzt ermittelte die EU-Kommission, ob die Vorgaben des DSA eingehalten werden (wir berichteten). Jetzt soll die Kommission prüfen, ob die App zu hohes Suchtpotenzial hat. Experten sehen beim Wirkmechanismus der App Parallelen zu Drogen, wie die WirtschaftsWoche meldete. 

Suchtfaktor als Geschäftsmodell

Wie viele andere Apps, zielt TikTok darauf ab, dass die Nutzer:innen die App möglichst lange geöffnet haben und viel Zeit auf der Plattform verbringen. Besonders stark betroffen sind dabei Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 29 Jahren. Diese Altersgruppe verbringt durchschnittlich 257 Minuten pro Tag im Internet. 

In der Klage soll nun unter anderem geprüft werden, wie stark der „Kaninchenloch-Effekt“ auf TikTok wirkt. Der führt dazu, dass Nutzer:innen beim einmaligen Öffnen der App verleitet werden, mehr und mehr Videos anzuschauen. Der Unterschied zu anderen Apps ist vor allem, dass es bei TikTok eine kleinere Rolle spielt, wem die Nutzer:innen folgen: Die konsumierten Videos werden in der Regel nicht selbst ausgewählt, man schaut, was der Algorithmus für einen parat hält. Dieses Konzept funktioniert offenbar so gut, dass es mittlerweile in Teilen in anderen Apps angewendet wird – bei Instagram etwa mit Reels, bei YouTube sind es YouTube Shorts. Mechanismen, die das Suchtpotenzial eindämmen, gibt es keine. So gibt es beispielsweise keine Time-out-Funktion. Außerdem kritisiert die EU-Kommission, dass bis jetzt niemand die genauen Dynamiken hinter dem Algorithmus kennt. 

„Es gibt noch keine Diagnose mit dem Namen TikTok-abhängig“

Der Suchtmediziner vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, Patrick Bach, sagte gegenüber der Wirtschaftswoche, dass es in der Hirnforschung bislang kein individuelles Erkennungsmuster für eine Social-Media-Sucht gibt. Allerdings gibt es Hinweise, wie zum Beispiel eine Überaktivität des Belohnungszentrums des Gehirns: „Hier gibt es Parallelen zu Alkohol und anderen Drogen“, so Bach. 

Bei einem Gerichtstermin würde der Experte zu folgender Einschätzung kommen: „Es gibt noch keine Diagnose mit dem Namen TikTok-abhängig. Wir können aber sehen, dass Social-Media-Nutzung zur Sucht werden kann und betroffene Personen wichtige Lebensbereiche vernachlässigen und es nicht schaffen, das zu kontrollieren. Die Nutzung sozialer Medien kann also abhängig machen“. Auch die Tatsache, dass TikTok lediglich kurze Videos zeigt, sieht Bach als Problem. „Die Nutzer haben bei der Kürze der Videos keine Zeit bewusst zu reflektieren, ob sie weiter konsumieren wollen.“

Neben der Prüfung der Suchtgefahr soll auch untersucht werden, ob die Regeln des Jugendschutzes durch TikTok gefährdet sind. 

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Hanna Hillnhütter
Hanna Hillnhütter Expertin für: Verbraucherschutz- und Strafrecht

Hanna verschlug es 2012 für ihr Jurastudium vom Ruhrgebiet nach Leipzig. Neben dem Studium mit dem Schwerpunkt Strafrecht, spielte auch das Lesen und Schreiben eine große Rolle in ihrem Leben. Nach einem kurzen Ausflug in das Anwaltsleben, freut Hanna sich nun, ihre beiden Leidenschaften als Redakteurin verbinden zu können.

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