Kundenbewertungen: Amazon droht Händlern mit Kontensperrungen

Veröffentlicht: 31.01.2018 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 31.01.2018

Seit Anfang des Jahres scheint Amazon verstärkt gegen Bewertungsbetrug vorgehen zu wollen. Jüngst hat das Unternehmen Händlern sogar mit der Sperrung ihres Verkäufer-Kontos gedroht, weil Familie und Freunde Produkte bewertet haben sollen. 

Amazon Logo auf einem Smartphone
© mirtmirt / Shutterstock.com

Amazon will für Ordnung in den Bewertungen sorgen. Damit die Rezensionen ihren Zweck erfüllen, müssen sie schließlich vertrauenswürdig sein. Aus diesem Grund ist Amazon schon in der Vergangenheit immer wieder gegen gefälschte Bewertungen vorgegangen und hatte in einigen Fällen Anbieter, die Bewertungen verkauften, verklagt. Seit Beginn des Jahres scheint Amazon nun verstärkt Maßnahmen zu verfolgen, um seine Ziele umzusetzen.

In den vergangenen Wochen kam es deshalb offenbar auch zu regelrechten Massenlöschungen von Bewertungen. Wie ShopDoc berichtet, habe Amazon neben der Entfernung vieler Bewertungen „auch die Abgabe von nicht-verifizierten Bewertungen erheblich eingeschränkt, auf manchen ASINs sogar komplett blockiert“. Selbst verifizierte Bewertungen und Rezensionen auf Listings von Amazon selbst waren von den Maßnahmen betroffen. ShopDoc zufolge wolle Amazon erreichen, dass die Bewertungen „natürlicher und echter“ werden – ein Ziel, das positiv zu bewerten sei.

Keine Bewertungen von Familienmitgliedern oder nahen Freunden

Nun scheint Amazon aber sogar noch einen Schritt weiter zu gehen und droht Händlern offenbar mit der Sperrung ihres Kontos. So habe das Unternehmen einige Händler explizit auf diese Problematik angesprochen, wie es in der Facebook-Gruppe „Amazon SEO“ heißt. Amazon habe diese oder ähnliche Nachrichten an die Betroffenen geschickt:

„Guten Tag,

wir haben festgestellt, dass Ihr Konto mit Konten in Verbindung steht, über die bei Amazon Kundenrezensionen für Produkte geschrieben wurden, an denen Sie ein finanzielles Interesse haben.

Hierzu zählen Produkte, die Sie oder Ihre Wettbewerber verkaufen. Familienmitglieder, nahe Freunde oder Mitarbeiter von Verkäufern bei Amazon dürfen keine Rezensionen über die Artikel des Verkäufers oder negative Rezensionen für Artikel schreiben, die von einem Wettbewerber des Verkäufers verkauft werden. Verkäufer dürfen Bewertungen, Feedback und Kundenrezensionen nicht manipulieren.

Amazon ist darauf bedacht, das Vertrauen seiner Kunden zu bewahren und das bestmögliche Einkaufserlebnis zu gewährleisten. Daher stellen wir Untersuchungen an, wenn uns bekannt wird, dass Verkäufer, Händler oder Dritte versuchen, Rezensionen zu manipulieren. Dazu zählen auch Entschädigungsangebote für Rezensionen.

Wenn dieses Problem weiterhin auftritt, können wir Ihnen nicht erlauben, Ihre Produkte bei Amazon.de zu verkaufen.“

Derartige Nachrichten sorgen in den Händler-Gruppen für einigen Aufruhr. „Die Informationen über die Verbindung zwischen den Konten wurden ziemlich sicher schon lange gesammelt und ausgewertet“, kommentiert ein Mitglied. „Jetzt wird halt mal einen Gang höher geschaltet. Gefühlt zweiter Gang von fünf.“

Amazon setzt die Einhaltung seiner Nutzungsbedingungen durch

Im Kern setzt Amazon nur die Einhaltung seiner Nutzungsbedingungen durch. Dabei ist die Sperrung des Händler-Kontos bei Verstößen durchaus ein legitimes Mittel, das das Unternehmen nutzen kann. Doch die aktuelle Auslegung, ob ein Händler gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen hat, wirkt schwammig und könnte dafür sorgen, dass Kontensperrungen willkürlich durchgeführt werden.

In den Richtlinien für die Rezensionen heißt es unter dem Punkt „Missbrauch von Beurteilungen, Bewertungen oder Produktrezensionen“, dass Händler keine Rezensionen zu Produkten oder Dienstleistungen schreiben dürfen, an denen sie selbst ein finanzielles Interesse haben. „Auch Rezensionen für Produkte oder Dienstleistungen von Konkurrenten sind nicht zulässig“, heißt es weiter.

Dass auch „nahe Freunde“ von Händlern solche Bewertungen nicht verfassen dürfen, geht aber noch einen Schritt weiter – und ist im Zweifel nicht immer gerechtfertigt. Denn wenn ein Freund einen Konkurrenten bewertet, muss das nicht immer auf Drängen oder unter Einfluss des Händlers geschehen sein. Amazon begibt sich hier mindestens in einen moralischen Graubereich, wenn es solche Bewertungen unterbindet oder Händler aufgrund solcher Bewertungen bestraft. 

Jede fünfte Bewertung gefälscht?

Dass Amazon stärker gegen möglichen Bewertungsbetrug vorgeht, sollte allerdings kaum verwundern. Erst im September 2017 hieß es, dass jede fünfte Bewertung auf dem Marktplatz gefälscht sei. Dazu kam eine Studie des Software-Anbieters Reviewmeta, über die auch wir berichteten. Rund sieben Millionen Bewertungen hatte das Unternehmen untersucht und anhand von 15 Kriterien analysiert. Reviewmeta hatte so auch auffällige Verhaltensweisen von Kunden berücksichtigt, etwa wenn ein Kunde Produkte von ausschließlich einem Händler bewertete.

Zu den aktuellen Maßnahmen in Sachen Bewertungen hat Amazon sich auf Anfrage nicht geäußert.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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