Flughäfen buhlen um Billiganbieter

So hoch ist der Einfluss von Temu und Co. auf die Luftfahrtindustrie

Veröffentlicht: 02.05.2024 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 02.05.2024
Frachtflughafen

In Zeiten von propagierter Nachhaltigkeit wirkt es absurd, dass das Luftfahrtvolumen höher denn je scheint. Vorrangiger Treiber dessen sind die chinesischen Billiganbieter Temu, Shein und AliExpress. So heißt es in einer aktuellen Recherche der Wirtschaftswoche, dass die besagten Unternehmen derzeit den größten Einflussfaktor auf die Entwicklung der Luftfracht darstellen – größer noch als die Unsicherheit der maritimen Logistikwege. Und mittlerweile führen diese ihre Waren auch nicht mehr nur über kleine Provinz-Flughäfen ein. Selbst der größte deutsche Flughafen – Frankfurt – scheint sich mittlerweile um eine Teilhabe am Geschäft zu bemühen.

Geringe Kontrollen, schnelle Abfertigung: so kommen die China-Waren zu uns

Am belgischen Flughafen Lüttich, knapp 90 Kilometer entfernt von Brüssel, landen Tag für Tag knapp 1 Million Pakete aus China. Um diese abzufertigen, sollte es Stunden und viele fleißige Mitarbeitende haben. Keins von beidem hat der Flughafen. Stattdessen verspricht er, Waren binnen weniger als fünf Stunden nach Landung fertig für den Weitertransport zu haben. Der Umstand, dass es hierfür deutlich zu wenig Personal gibt, spielt Temu und Co. dabei mit Sicherheit in die Karten.

Denn nur aufgrund dieser Schnelligkeit, und der Tatsache, dass falsch deklarierte Sendungen kalkuliert durchrutschen, sind die schnellen Lieferzeiten einzuhalten. Einen weiteren wichtigen Faktor in diesem Kalkül machen die gewählten Fluglinien aus. Denn die zumeist chinesischen oder afrikanischen Airlines befliegen Routen über Russland, welche europäische Linien seit Beginn des Ukraine-Krieges nicht mehr nutzen können. Allein dadurch können mehr als zwei Stunden Reisezeit eingespart werden. 

Laut der Recherchen der Wirtschaftswoche wurde eine spezielle Sortieranlage im äthiopischen Addis Abeba sogar vom chinesischen Staat finanziert, um schnellere Einfuhren nach Europa zu ermöglichen. Hier werden die teils als Lückenfüller verpackten Waren für den Weitertransport sortiert und auf entsprechende Flüge verteilt. 

 

Frankfurt buhlt um China

Als während der Pandemie diverse Häfen weltweit, vor allem aber in China, schließen mussten, wurde ein großer Teil der weltweiten Fracht in die Luft verlagert. Das führte zu einem massiven Preisanstieg für Luftfracht. Eine Ware von einem Kilo nach Europa einzufliegen kostete im Jahr 2022 noch 13 US-Dollar – mittlerweile fallen hierfür nur noch rund vier US-Dollar an. Diese günstigen Konditionen ermöglichen folglich den Erfolg von Temu und Co. erst. 

Laut der Unternehmensberatung Roland Berger wächst der grenzüberschreitende E-Commerce aktuell stärker als andere Bereiche der Logistik. Für Flughafenbetreiber bedeutet dies ein enormes Potenzial. Und wo bisher vor allem Flughäfen im ländlichen Bereich die Einfuhr ermöglichten, möchte nunmehr auch der Frankfurter Flughafen mitmischen. 

Dr. Pierre Dominique Prümm, Vorstand des Fraport, äußerte dazu: „Auch in Frankfurt ist es möglich, dass die Ware vier Stunden nachdem das Flugzeug die Parkposition erreicht hat, den Flughafen verlässt“ Zudem betont er das fortschrittliche System, die digitalen Kompetenzen und die guten angebundenen Verbindungen. Alles in allem Punkte, welche die chinesischen Anbieter durchaus ansprechen könnten – wenn da nicht die deutlich besser ausgebauten Zollkontrollen wären. 

Drehen strengere EU-Regularien Temu bald den Geldhahn zu?

Ob sich chinesische Shops für eine Einfuhr über Frankfurt begeistern lassen, bleibt abzuwarten. Doch ob die Masche mit der günstigen und schnellen Lieferung auf Dauer so weiter funktionieren kann, ist die viel größere Frage. 

Denn allein in Deutschland wird die Forderung nach einer Reform der Zollgesetzgebung zunehmend laut. Hierbei sollen nicht nur niedrigere Grenzwerte gefunden werden, sondern auch eine einheitliche Kontrolle durchgesetzt werden. Hinzukommen kommen strengere Regularien hinsichtlich Nachhaltigkeit sowie das EU-Lieferkettengesetz. Werden all diese Entwicklungen umgesetzt, müssen die chinesischen Anbieter wahlweise ihre Preise anheben, oder aber neue Schlupflöcher finden.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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