Kolumne: Facebook und die Vermessung der Welt

Veröffentlicht: 17.06.2016 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 01.07.2016

Ladenbesitzer, die Werbung im Internet für ihr stationäres Geschäft schalten, haben im Grunde ein großes Problem: Sie können kaum nachvollziehen, wie gut ihre Anzeige bei der potenziellen Kundschaft ankommt, also wie viele Kunden tatsächlich den Laden betreten, weil sie die Anzeige im Internet gesehen haben.

Im schlimmsten Fall könnte der Händler also munter Geld im Netz verfeuern – für eine Anzeige, die entweder nicht bei der Zielgruppe ankommt oder einfach nicht wirkt. Facebook hat sich nun diesem Problem angenommen und will ein System anbieten, mit dem sich Werbeanzeigen und tatsächliche Ladenbesuche verknüpfen lassen.

Tracking schon online oft befremdlich

Das ist für die Händler zweifellos eine gute Nachricht. Denn die Performance einer Anzeige überprüfen und optimieren zu können, ist im Werbegeschäft von größter Bedeutung. Doch aus Kundensicht ist die Entwicklung ein wenig beunruhigend und vielen datenschutzliebenden Deutschen dürfte die Verfolgung ihrer Online-Aktivität ins „echte“ Leben wohl kaum gefallen.

Ich selbst finde es schon jetzt befremdlich, wenn ich – beispielsweise aus Recherchegründen – einen Online-Shop für Handtaschen besuche und mich drei Monate lang diese schicke Envelope-Tasche aus Echtleder durchs Netz verfolgt. Oder wenn ich – aus persönlichem Interesse – ein wenig im Musik-Shop meines Vertrauens stöbere und anschließend von unfassbar schicken, aber für mich unbezahlbaren, Gitarren verfolgt werde.

Das Highlight war aber, als ich mein neues Smartphone im Netz bestellt habe, und anschließend Werbung für dieses Smartphone angezeigt bekam. Aber ich hatte das Ding doch schon gekauft und auch wenn ich zwei Hände und Ohren habe: Ich brauche keine zwei Smartphones.

Ungeahnte Möglichkeiten für Händler

Facebook könnte mit seinem neuen System doch auch so etwas umsetzen: Man bummelt durch die Stadt, bleibt mal ein wenig länger vor einem Geschäft stehen (ob man nun ins Schaufenster guckt oder dort einfach zufällig einen Bekannten getroffen hat und sich kurz unterhält sei einmal dahingestellt), und schon wird man von Werbeanzeigen zu Produkten aus dem Geschäft überflutet.

Oder ich habe mir auf dem Smartphone die Werbeanzeige und noch die Website des Händlers und dabei auch das ein oder andere Produkt angeguckt – und beim Betreten des Geschäfts sind die Produkte bereits für mich bereitgehalten. Manche mögen das für praktisch und bequem halten, für mich ist das Ganze nichts. Aber zum Glück kann man ja auch einfach seine Standortbestimmung im Smartphone abschalten und sich so – zumindest bisher noch – der Verfolgung durch das Internet entziehen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.