Wer zu schnell schießt…

Abmahner klagt voreilig und muss Gerichtskosten selbst tragen

Veröffentlicht: 21.04.2021 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 21.04.2021
Cowboys im Duell

Das deutsche Prozessrecht ist ist äußerst komplex und hält für Rechtslaien einige Überraschungen bereit. Der Grundsatz, dass der Verlierer immer die Kosten tragen muss, gilt dabei in vielen Fällen, aber noch lange nicht in allen. So kann es beispielsweise sein, dass jemand klagt, mit seinen Ansichten voll im Recht ist und am Ende trotzdem die kompletten Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss.

Keine Veranlassung zur Klage gegeben

In einem Fall (KG Berlin, Beschl. v. 30.11.2020 - Az.: 5 W 1120/20), den die Kanzlei Dr. Bahr auf ihrem Blog aufgegriffen hat, ging es um eine Abmahnung. Der Kläger mahnte den Beklagten vorher mittels eines Anwaltes wegen eines Rechtsverstoßes ab. Die Abmahnung war weder unterschrieben, noch wurde die Vollmacht des Klägers mitgeschickt.

Der Abgemahnte rügte das, sagte aber auch gleichzeitig, dass er grundsätzlich bereit sei, die Unterlassungserklärung abzugeben. Der Abmahner reagierte mit einer Klage. In dem Verfahren passierte dann das, was passieren musste: Der Abgemahnte erkannte die Ansprüche des Abmahners vollumfänglich an. Im Ergebnis musste das Gericht also nur noch entscheiden, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Da es keinen Anlass zur Klage gab, musste die Kosten der Kläger tragen. Konkret heißt es in der Begründung: „Vor diesem Hintergrund war das Verhalten der Beklagten vor Prozessbeginn nicht so, dass der Kläger bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen.“

Hintergrund: Wer zu schnell klagt, muss zahlen

Wie kommt dieses Ergebnis zustande? Eigentlich heißt es ja immer, dass derjenige, der einen Anspruch erfolgreich vor Gericht begründet, eben gerade keine Kosten trägt. In erster Linie sollen in Deutschland Rechtsstreitigkeiten, wenn möglich, erstmal außergerichtlich geregelt werden. Erst wenn ein Anlass zur Klage gegeben ist, soll der Anspruchsinhaber sich an die Justiz wenden. So ein Anlass ist beispielsweise dann gegeben, wenn klar ist, dass es mit der anderen Partei zu keiner Einigung kommen wird und daher ein Richter den Streit nach Rechtslage entscheiden soll. 

Wer hingegen ohne so einen Anlass jemanden verklagt, soll dafür nicht auch noch damit „belohnt“ werden, dass der andere die Kosten trägt, selbst wenn der Anspruch besteht. 

Beispiel: Annabell ist der Meinung, dass Sylvia ihr noch 250 Euro schuldet. Diese hatte sie ihr mal im Urlaub geliehen und sie seitdem aber nicht mehr drauf angesprochen. Da sie aktuell ohnehin nicht gut auf sie zu sprechen ist, erhebt sie direkt Klage. Sylvia ist total überrumpelt und zahlt sofort die 250 Euro. Sie hatte schlicht und ergreifend vergessen, dass der Betrag noch ausstand. Hätte Annabell sie außergerichtlich zunächst mit einer Mahnung angezählt, hätte sie die 250 Euro selbstverständlich gezahlt. Der Rechtsstreit wird daraufhin von beiden Seiten für erledigt erklärt und das Gericht muss noch über die entstandenen Gerichtskosten entscheiden.

Lösung: Dass Annabell einen Anspruch auf das Geld hat, steht außer Frage. Sie hat sich allerdings in keinster Weise bemüht, den Streit erst mal außergerichtlich zu klären. Es erscheint unfair, dass Sylvia die Kosten für einen Prozess tragen muss, obwohl nie ausgemacht war, bis wann sie das Geld zurückzahlen muss und sie entsprechend auch keine Frist verpasst hat. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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