Lidl verliert vor OLG Stuttgart

Supermarkt muss auch zerdrückte Pfanddosen zurücknehmen

Veröffentlicht: 18.07.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 18.07.2023
Zerdrückte Pfanddosen

Lange Schlange, viel Geklapper – und dann will der Leergutautomat die Flasche oder Dose nicht zurücknehmen, weil da ein Knick drin ist. Man kennt diese Situation im Supermarkt. Wer sich dem Joch der Maschine nicht unterwerfen will, der wendet sich an Mitarbeitende. Doch was, wenn die auch Nein sagen? So ähnlich könnte sich ein Fall abgespielt haben, der kürzlich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde: Mitarbeiter einer Lidl-Filialie verweigerten die Annahme von deformierten Getränkepfanddosen, obwohl das Pfandlogo und auch der Balkencode erkennbar waren. Gegen den Discounter ging dann die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vor, nachdem sich der Verbraucher über die Situation beschwert hatte. Dieser gab das Oberlandesgericht Stuttgart nun recht (Urteil v. 15.06.2023, Az. 2 U 32/22, noch nicht rechtskräftig).

Einwegpfand muss nicht pfleglich behandelt werden

Wie die Verbraucherzentrale zum Fall mitteilt, wurde im Laden wohl die Vermutung geäußert, dass die Dosen entweder mutwillig beschädigt oder gar aus einem Pfandautomaten entwendet worden seien. Dabei vertrat man die Auffassung, dass nur Verpackungen zurückgenommen werden müssten, die insbesondere die gleiche Form hätten wie bei der Inverkehrbringung. Dass nur unbeschädigte, nicht verformte und restentleerte Verpackungen zurückgenommen werden würden, darauf würden auch die Schilder am Pfandautomaten hinweisen. Von Verbrauchern könne man erwarten, Pfandgut pfleglich zu behandeln oder zumindest nicht mutwillig zu beschädigen, trug das beklagte Unternehmen nebst anderen Argumenten laut Urteil vor. 

 Hinweis am Leergutautomaten ist vernachlässigbar

Festlegen, unter welchen konkreten Umständen Supermärkte deformiertes Pfandgut zurücknehmen müssen, wollte sich das Oberlandesgericht Stuttgart nicht pauschal. Im Fall hier war die Pfandpflichtigkeit der Verpackungen aber jedenfalls noch erkennbar, da das Pfandlogo und auch der Strichcode sichtbar waren. 

An der Rücknahmepflicht würden dabei auch die Hinweise an den Leergutautomaten nichts ändern, meint das Gericht. Das „Zwangspfand“ beruhe auf einer bindenden Vorgabe des Gesetzgebers im Verpackungsgesetz. Den damit einhergehenden, gesetzlichen Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers könnten Private, wie das Unternehmen, gar nicht mit solchen Hinweisen einschränken. Zudem hätte der Discounter auch kein ernstzunehmendes Interesse daran, dass man mit seinen Einwegpfandbehältern pfleglich umgeht, werden diese dann doch sowieso zerstört. Anders sei die Lage erst, wenn das Unternehmen den Pfandbetrag wegen des schlechten Zustands der Verpackung selbst nicht mehr vornehmen könne. Mehraufwand, der durch die Rücknahme beschädigter Dosen entstehe, müssten die rücknahmepflichtigen Unternehmen selbst tragen.  

 

Auch der Einwand, dass es sich bei dem Vorfall um einen Ausreißer gehandelt habe, schützte das Unternehmen nicht vor der Verurteilung zur Unterlassung. Selbst wenn es eine rechtliche Fehleinschätzung des Personals gegeben habe, falle das in dessen Verantwortungsbereich. „Es obliegt dem Unternehmer, sein Personal adäquat zu schulen. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Nutzt der Unternehmer die Vorteile geringfügig Beschäftigter, so muss er auch die daraus erwachsenden Nachteile tragen“, heißt es im Urteil. 

Exkurs: Muss ein Pfandbon sofort eingelöst werden? 

Im Zusammenhang mit Pfandautomaten gibt es allerdings auch andere, häufig auftretende Problemchen. So erlebt man an Supermarktkassen immer wieder die Situation, dass jemand etwa in einer Jackentasche noch einen älteren Pfandbon gefunden hat und einlösen möchte – was dann mitunter verwehrt wird. Teilweise findet sich sogar unmittelbar auf dem Pfandbon ein Hinweis, dass dieser beispielsweise innerhalb von 14 Tagen nach seiner Ausstellung einzulösen sei. 

Tatsächlich aber gilt auch für solche Pfandbons die Regelverjährung von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. 

Dass das Kassensystem den Bon womöglich nicht mehr verarbeiten kann, ist dabei dann das Problem des Supermarktes – dieser Umstand allein ändert nichts an der Pflicht zur Rückzahlung. Anders sieht es allerdings aus, wenn der Bon nicht mehr lesbar ist. Gerade beim häufig verwendeten Thermopapier kann sich dieses Problem ergeben, dass diese mit der Zeit oder durch Hitze verblassen. Ist nichts mehr erkennbar, wird es schwierig mit der Erstattung. 

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