EU

Neue Verbraucherkreditrichtlinie – Ende des Rechnungskaufs?

Veröffentlicht: 22.09.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 24.01.2024
Ausgetreckter Arm über Rechnungen

Vor wenigen Tagen hat das EU-Parlament abschließend über eine neue Verbraucherkreditrichtlinie abgestimmt. Sie soll nicht nur das reibungslose Funktionieren der Kreditmärkte sicherstellen, sondern auch ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen. Hierzu gehört insbesondere, dass Verbraucher besser vor Überschuldung geschützt werden.

Anders, als es der erste Blick auf die Bezeichnung vielleicht nahelegt, sind davon aber nicht nur klassische Kredite bis 100.000 Euro betroffen, sondern auch häufig genutzte Zahlungsmöglichkeiten wie der Rechnungskauf oder Buy Now Pay Later-Angebote – und selbst auf die Bezahlung einer Füllung beim Zahnarzt könnten die Änderungen Auswirkungen haben. Wird der Rechnungskauf bald Geschichte sein?

Widerrufsrecht, Bonitätsprüfung und mehr

Mit 608 Stimmen bei 8 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen nahm das Parlament das Gesetz an. Inhaltlich geht es um verschiedene Punkte rund um Verbraucherkredite: So sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verbraucher Kreditverträge innerhalb von 14 Tagen widerrufen können, auch das Recht auf eine vorzeitige Rückzahlung und eine Reduzierung der Gesamtkosten sind vorgesehen. Wie das in Einzelfall geschieht und berechnet wird, soll in vorvertraglichen Informationen klar dargestellt werden. Auch an die Werbung für Kredite werden Anforderungen gestellt, zudem sollen Gebührenobergrenzen eingeführt werden, um Missbrauch vorzubeugen, etwa durch überhöhte Zinsen. Überziehungskredite möchte man ebenfalls neu regulieren. 

Weiter geht es mit der Bonitätsbeurteilung: Hier soll künftig von Kreditgebern verlangt werden, dass sie vor dem Abschluss eines Kreditvertrags eine gründliche Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers vornehmen – ganz in dessen Interesse, um eine verantwortungslose Kreditvergabepraktik zu verhindern und die besagte Überschuldung zu verhindern. 

Kreditvermittler und „Nichtbanken-Gläubiger“ werden nach den geplanten Regelungen zudem einem Zulassungsverfahren sowie der Registrierung und Aufsicht durch nationale Behörden unterliegen – KMU sollen ausgenommen sein. 

Ebenfalls betroffen: Buy now, pay later und Rechnungskauf

Die Krux an der Sache: Der Anwendungsbereich ist grundsätzlich groß. Es sind eben nicht nur die klassischen Kredite, die betroffen sind, sondern auch für Kleinkredite und Buy now, pay later-Angebote. Bei letzteren können Verbraucher beispielsweise online einen Kauf tätigen, zahlen müssen sie jedoch erst später. Häufig werden dabei Zahlungsanbieter zwischengeschaltet. Auch der Kauf auf Rechnung lässt sich unter dieses Prinzip fassen. 

Das EU-Parlament sieht in diesem Bereich gerade jüngere Menschen als besonders gefährdet, in eine Überschuldung zu rutschen. Für Händler hingegen sieht es nun so aus, als müsste bei jeder Bestellung auf Rechnung auch die Kreditwürdigkeit des Käufers geprüft werden. Das Ganze wäre natürlich nicht auf den Online-Handel beschränkt, auch die Bezahlung einer Privatrechnung für eine Zahnfüllung kann unter die neuen Vorschriften fallen. Es müsste eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchgeführt werden, die auch zusätzliche Kosten erzeugt. 

Out of scope: Unterschiedliche Ausnahmen für Kleine und Große

Allerdings gibt es relevante Ausnahmen. Die Liste dieser im Entwurf der Richtlinie, wie er durch das EU-Parlament gegangen ist, ist lang – manche Ausnahmen sind verpflichtend, andere werden dem Ermessen der jeweiligen Mitgliedstaaten überlassen, die die Regelungen in eigenes Recht umsetzen müssen. 

Bezüglich des Themas Zahlungsaufschub bestehen zwei verpflichtende Ausnahmen, die sich nach der Größe des Waren- bzw. Dienstleistungsanbieters unterscheiden: 

Für kleine und mittlere Unternehmen gilt eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie den Aufschub unter folgenden drei kumulativen Bedingungen anbieten: 

  • Der Kauf ist gebührenfrei, 
  • er muss innerhalb von 50 Tagen beglichen sein und
  • der Kredit darf nicht durch Dritte angeboten werden. 

Strenger sind die Regeln für Unternehmen, die ihre Waren oder Dienstleistungen im Fernabsatz vertreiben und nicht unter den KMU-Begriff fallen – also für die großen Online-Händler. Wollen diese Zahlungsaufschübe anbieten und nicht an die geplanten Regelungen gebunden sein, müssen sie folgende Bedingungen kumulativ erfüllen: 

  • Der Kauf ist gebührenfrei, 
  • er muss innerhalb von 14 Tagen beglichen werden und 
  • der Kredit darf nicht durch Dritte angeboten werden. 

Stellt das fairen Wettbewerb sicher?

Kümmert man sich also selbst um die Abwicklung der Rechnungszahlweise, kann man das als Online-Händler auch weiterhin grundsätzlich machen, ohne sich an die Regeln der kommenden Verbraucherkreditrichtlinie zu halten. In der Praxis allerdings greifen viele Händler hier auf Zahlungsdienstleister zurück, und in diesem Fall wäre die Lage eine andere. So wie ein Zahnarzt, der dem Patienten eine Kunststofffüllung verpasst und die fällig werdenden Kosten an ein Abrechnungszentrum abtritt, müsste dann vorab die Kreditwürdigkeit des Kunden bzw. Patienten geprüft und dokumentiert werden. 

Und auch wenn der europäische Gesetzgeber annimmt, einen guten Mittelweg gefunden zu haben (vgl. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie), stellt sich die Frage nach einem fairen Wettbewerb. Zwar sind die Voraussetzungen für große Unternehmen, eine Ausnahme von der Richtlinie in Anspruch zu nehmen, formell höher als für KMU. Ihre Ressourcen allerdings dürften häufig auch größer sein, und damit auch die Fähigkeit, das Modell Rechnungskauf auf eigene Faust anzubieten. Kleineren Händlern könnte das hingegen deutlich weniger leicht fallen. 

Die Richtlinie tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, deren Vorgaben in nationales Recht umzusetzen und drei Jahre, um sie anzuwenden.

Online-Händler und Interessierte finden im Ratgeber des Händlerbundes weiterführende Informationen zur Verbraucherkreditrichtlinie.

Kommentare  

#9 Stephan 2023-09-27 16:57
Kleine Händler werden damit Kauf auf Rechnung nicht mehr anbieten können. Das Ausfallrisiko ist einfach zu groß, und Betrüger (z.B. Dreiecksbetrug) nutzen gerne Rechnungskauf.

Die 98% der Kunden, die keine Überschuldungsp robleme haben, haben andere Gründe für den Rechnungskauf.
Einer davon könnte sein:
den Händler kenne ich nicht, möchte kaufen und dabei aber sicher sein, dass der Händler auch zuverlässig und gut ist.
Aber da die kleinen Händler dann keinen Rechnungskauf mehr anbieten können, werden sie auch kein Kunden mehr bekommen - egal wie zuverlässig und gut sie sind.

Zugunsten der 2% Überschuldeten wird das Risiko für die Handelsseite erhöht, der Kundenservice reduziert und nur die großen, bereits bekannten Internetshops profitieren.
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#8 Daniel Krawietz 2023-09-27 14:29
Es wird echt in der EU immer bekloppter. Leute werden entmündigt und jegliche Verantwortung abgenommen. Wo leben wir denn noch in einer Demokratie, wenn ständig irgendwelche Dritte über den Kopf der Bürger entscheiden.

Ich gehe doch davon aus, dass solche Dinge von Erwachsenen gemacht werden, dass Sie Dinge bestellen, welche Sie dann nicht zahlen. Warum soll man solche Leute noch beschützen, damit Sie nicht auf Rechnung kaufen dürfen. Das machen die ohnehin nur ein mal und kriegen nichts mehr auf Rechnung. Also wozu dieser Schwachsinn hier wieder ?

Es regt mich echt langsam auf. Wir reden von Autokratien wir Russland, aber mutieren immer mer zu einer. Man muss sich langsam echt überlegen, ob man die EU nicht verlässt.
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#7 D. Wieber 2023-09-27 14:28
"betreutes Leben" fasst es eigentlich schon fast zusammen. Man hat das Gefühl, dass der Staat (und die EU) auf "Extrem-Bondage " stehen und wirklich testen wollen, wie weit sie Menschen noch maßregeln und knebeln können. Irgendwann gibts direkt zur Geburt den Knebel verpasst und gut ist, oder wie?
Warum wird sich nicht auf wichtige Themen wie das Eintreiben von Steuern externer Großunternehmen konzentriert? Dort wo Milliarden zu holen wären dreht sich jeder Politiker weg. Aber bei Hänsschen klein wird reguliert bis nichts mehr zu regulieren ist. Was ist am REchnungskauf so verkehrt? Paypal zwingt einen ja eh schon dazu, die Kosten (Gebühren) zu überrnehmen wo sich der Rechnungskauf maximal für den Käufer lohnt. EIn Händler hat gar nichts davon, ausser, das er sich darüber freuen darf, Ware ( fast zum SElbstkostenpre is) los geworden zu sein. Mit Marktwirtschaft hat das alles nichts mehr zu tun. Nur noch um Verdrängung geht es.
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#6 HK 2023-09-27 14:25
Die armen und schützenswerten Verbraucher müssen eine recht dumme Spezies sein, die man sogar vor sich selbst schützen muss. War nicht mal die Rede vom mündigen Bürger? Also früher mal? Ist ja aber nicht das erste Mal, das die Brüsseler Bürokraten keinen Schimmer von der Realität haben. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht.
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#5 Heidemann 2023-09-25 17:25
wie soll denn solch eine Bonitätsprüfung , bei den armen und ärmsten aussehen ?
also kein Kauf von Geräten jedweder Art mehr möglich ?
na da werden die Firmen, die dann Fernseher, Computer, Handys usw. vermieten, wie Pilze aus dem Boden schießen.
wo kein Eigentum ist, braucht man den Nachlass auch nicht mühselig aufteilen.
naja vielleicht noch ein paar Körperteile, oder Silent Green ?
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#4 Anna G. 2023-09-25 12:14
Jede Sekunde Googeln soll CO2 technisch 20 Bäume "kosten" und das pro Person. Dann würden aufgrund von vermeisvaren, tausenden von zeitgleichen Schufaabfragen die betroffenen Internetseiten öfters mal zusammenbrechen . Ist das ein weiterer Schritt in das typisch staatliche betreute Denken? Ich weiß nicht, ein Mensch sollte schon grundsätzlich wissen, was er ausgeben kann und was nicht. Für mich skuril
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#3 Dirk 2023-09-25 11:29
Ganz ehrlich, wer sich einen Onlinekauf unter 100 oder 200 Euro aktuell nicht leisten kann, weil er gerade das Geld nicht hat, dem sollte man aus reiner Fürsorgepflicht keine Kreditmöglihcke it einräumen.
Und wenn er Rechnungskauf oder Buy-now-pay-lat er wählt, weil er die Sachen höchstwahrschei nlich sowieso zurückschicken will, kann man auf diesen Kunden auch verzichten.
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#2 Andree 2023-09-25 10:57
Das heißt also Kreditkarten- und Debitkartenzahl ungen bedürfen nun auch einer vorherigen Bonitätsprüfung?
Der Betrag wird ja auch bei Kreditkarten erst 30 Tage später und bei Debitkarten 1-2 Tage später abgebucht...
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#1 J. Kuhn 2023-09-25 09:16
Das einzige was man in Europa dringend regeln müsste ist die Bildungs- und Praxisvorausset zung von Politikern. Ganz besonders derer, die auf dem Abstellgleis- EU Parlament geparkt wurden.

Der Beschluss geht einmal mehr in Richtung, betreutes Leben. Schlimm das, dass Bildungsniveau in Brüssel noch nicht mal ausreicht um Ursache und Wirkung zu verstehen.
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