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Kakao, Kaffee und mehr: Neue Regeln für entwaldungsfreie Produkte

Veröffentlicht: 21.07.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 21.07.2023
Luftbild Entwaldung

Ende Juni 2023 ist eine neue EU-Verordnung in Kraft getreten, die auch Händler von diversen Im- und Exportprodukten betrifft. Agrarrohstoffe wie Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz fallen künftig unter die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte. Auch betroffen sind Erzeugnisse, die aus diesen Rohstoffen hergestellt worden sind, beispielsweise Leder, Tierfutter oder Möbel. Marktteilnehmer und Händler müssen demnach neue Sorgfaltspflichten und Verbote beachten. Zwar gibt es einen Übergangszeitraum, Betroffene sollten sich aber dennoch frühzeitig mit den Regeln auseinandersetzen. 

Künftig werden Sorgfaltspflichterklärungen benötigt

Auch wenn es Verbraucher heute gewohnt sind, dass Waren aus Kartons und Tüten kommen, haben diese doch in aller Regel einen anderen Ursprung. Schokolade oder Lederschuhe sind nur zwei Beispiele für Produkte, deren Rohstoffe häufig auf gerodeten Waldflächen erzeugt worden sind. Solchen Rohstoffen und Produkten widmet sich die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte, die seit dem 30. Juni 2023 in Kraft ist.

Hinter der Verordnung stehe die besorgniserregende Geschwindigkeit, mit der Entwaldung und Waldschädigung in der Welt geschehen, teilt die Bundesregierung mit. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN ist innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte weltweit immerhin eine Fläche verloren gegangen, die größer als die Europäische Union selbst ist. Vorwiegend sei dieser Verlust durch nicht-nachhaltige Landwirtschaft entstanden. 

Über allen Regelungen der Verordnung prangert ein Verbot: Demnach dürfen entsprechende Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in der EU in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn die folgenden drei Voraussetzungen insgesamt erfüllt sind: 

  • Sie sind entwaldungsfrei, 
  • sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt und
  • für sie liegt eine Sorgfaltspflichterklärung vor. 

Was bedeutet „entwaldungsfrei“? 

Entwaldungsfrei bedeutet dabei in etwa, dass für das jeweilige Produkt keine Rohstoffe verwendet worden sein dürfen, die auf Flächen erzeugt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Für Holz gilt, dass es aus einem Wald geschlagen worden sein muss, ohne dass es nach dem Stichtag zu Waldschädigungen gekommen ist. Der Stichtag liegt demnach in der Vergangenheit. Begründet wird das insbesondere damit, dass man vermeiden wollte, dass solche Flächen während des Zeitraums des Gesetzgebungsprozesses vorsorglich gerodet werden. 

Die „einschlägigen Rechtsvorschriften“ drehen sich dabei übrigens nicht nur um die Wälder bzw. Natur selbst: Es geht hierbei etwa auch um Landnutzungsrechte, Arbeitnehmerrechte, den Schutz indigener Völker oder Steuer-, Korruptionsbekämpfungs- und Zollvorschriften. 

Inwiefern sind KMU-Händler betroffen?

Für Marktteilnehmer und Händler gelten unterschiedliche Pflichten, die auch von der Größe des Unternehmens abhängen. 

Für KMU-Händler gilt, dass diese relevante Erzeugnisse nur dann auf dem Markt bereitstellen dürfen, wenn sie im Besitz bestimmter Informationen sind. Gesammelt und gespeichert werden müssen:

  • der Name, der eingetragene Handelsname oder die eingetragene Handelsmarke, die Postanschrift, die E-Mail-Adresse und, falls verfügbar, eine Internetadresse derjenigen Marktteilnehmer oder Händler, die ihnen die relevanten Erzeugnisse geliefert haben sowie die Referenznummern der diesen Erzeugnissen zugeordneten Sorgfaltserklärungen und 
  • selbige Daten der Händler, an die sie die Erzeugnisse geliefert haben.

 Diese Daten müssen für fünf Jahre aufbewahrt werden. Auf Verlangen müssen sie den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden. 

Erlangt man als KMU-Händler neue Informationen oder hat begründete Bedenken, dass die Gefahr besteht, ein bereits auf dem Markt bereitgestelltes Erzeugnis könnte gegen die Verordnung verstoßen, muss dies unverzüglich an die zuständigen Behörden gemeldet werden, ebenso auch an Händler, denen man das Erzeugnis geliefert hat. Schließlich werden Händler allgemein auch dazu verpflichtet, die zuständigen Behörden bei der Durchführung von Kontrollen Hilfeleistungen anzubieten, beispielsweise den Zutritt zum Betriebsgelände. 

Die sogleich übersichtsartig dargestellten Pflichten für Händler, die nicht als KMU gelten, entsprechen hingegen weitgehend jenen für Marktteilnehmer und sind umfangreicher. KMU können von diesen in bestimmten Situationen allerdings ebenfalls betroffen sein, etwa wenn das gehandelte Erzeugnis durch einen außerhalb der EU niedergelassenen Marktteilnehmer in Verkehr gebracht wird und sie die erste Stelle sind, die das Erzeugnis auf dem EU-Markt zur Verfügung stellen.

Pflichten für größere Händler und Marktteilnehmer

Im Kern steht hier die Sorgfaltspflicht. Auch als Marktteilnehmer geltende Personen müssen verschiedene Informationen sammeln und organisieren. Hierzu kann etwa die Geolokalisierung (sprich der Standort) aller Grundstücke gehören, auf denen der jeweilige Rohstoff erzeugt wurde. Auf Basis dieser Informationen muss dann eine Risikobewertung erfolgen, anhand von Kriterien, die die Verordnung vorgibt. Dabei geht es um die Feststellung des Risikos, dass die vorgegebenen Konformitätsanforderungen nicht eingehalten werden. Eine entsprechende Sorgfaltserklärung muss er an die Behörden übermitteln. Ergibt sich ein Risiko, muss der Marktteilnehmer Maßnahmen zur Minimierung ergreifen, also beispielsweise gesonderte Audits durchführen lassen. Kann ein Marktteilnehmer das Risiko der Nichtkonformität nicht auf ein vernachlässigbares Maß reduzieren, darf er das Produkt nicht in der EU in Verkehr bringen oder ausführen, bzw. es darf nicht auf dem Markt bereitgestellt werden.

Salopp könnte man das wohl wie folgt zusammenfassen: Hat ein Marktteilnehmer beispielsweise Hinweise darauf, dass bezüglich eines Produkts die Rechtsvorschriften im Erzeugerland möglicherweise nicht eingehalten werden, etwa Umweltvorschriften oder Arbeitnehmerrechte, muss er diesem Risiko weiter auf die Schliche gehen und versuchen, sich Gewissheit zu verschaffen. Geht das nicht (ausreichend), kann er das Produkt nicht auf dem EU-Markt zur Verfügung stellen. Liegt bereits eine Sorgfaltserklärung, gelten allerdings wieder andere Maßgaben. Ebenso gibt es noch eine vereinfachte Regelung für den Fall, dass der Rohstoff oder das Erzeugnis aus einem Land kommt, das von der EU-Kommission mit einem geringen Risiko eingeschätzt wird. Davon ab treffen Marktteilnehmer noch weitere Aufgaben, beispielsweise zur Produktbeobachtung. Sämtliche Details lassen sich hier angesichts der Komplexität aber ohnehin nicht darstellen. 

Für die Pflichten von Marktteilnehmern und Händlern gilt glücklicherweise ein Übergangszeitraum. Die Regelungen der Verordnung sind demnach weitgehend erst ab dem 30. Dezember 2024 anzuwenden. Für Marktteilnehmer, die am 31. Dezember 2020 als Kleinst- oder Kleinunternehmen niedergelassen waren, gilt in vielen Fällen zudem ein Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2025. Insbesondere größere Händler und Marktteilnehmer sollten sich allerdings wohl zeitnah mit den neuen Regelungen vertraut machen und die nötigen Schritte einleiten.

Die Verordnung ist hier einsehbar.

Kommentare  

#1 Matze 2023-08-01 14:18
wie war das mit Bürokratieabbau ?
Um das alles zu speichern, sollten wir wieder einen Beauftragten benennen, der ein Formular entwirft, welches das alles händisch aufzeichnet, ein Lehrling darf es dann in Exel bringen und der Chef muss es unterzeichnet ablegen. Am besten ist doch: schmeißt doch diesen Kram auch aus dem Programm, wer braucht schon Kaffee, Kakao, Schokolade, Holzjisten, papiertüten .... die ja aus Holz gemacht werden...
Wir haben ja alle sonst nichts zu tun.... Geiles Ding....
Es werden immer wieder neue Beschäftigungen für Unternehmer gefunden, dann bleibt zum Arbeiten noch weniger Zeit.... Deutschland God Bye.
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