Dreist oder berechtigt

Kundin besteht auf Tippfehler im Preis

Veröffentlicht: 29.06.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 29.06.2023
Frau mit Laptop
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

In dieser Woche dreht sich unser "Dreist oder berechtigt" um Pricing-Pannen: Auf der Suche nach einem neuen Pizzastein für ihren Grill wird eine Kundin auf das besonders attraktive Angebot eines Händlers aufmerksam. Statt der üblichen 47,99 Euro, soll das Markenprodukt nur 17,99 Euro kosten. Sie wundert sich zwar über den großzügigen Rabatt, schlägt aber zu, bekommt die Bestätigung und hält die Ware kurze Zeit später in den Händen. Doch zu früh gefreut: Kurz nach der Lieferung erhält sie eine Nachricht des Händlers. Bei dem Preis habe es sich um ein Versehen gehalten. Gleichzeitig mit der Information erklärt er die Anfechtung, bietet ihr aber auch, die Differenz abzüglich eines kleinen Rabattes zu begleichen und das Produkt zu behalten. Das sieht die Kundin aber anders. Sie will das Produkt für den günstigen Preis behalten. Es sei nicht ihr Problem, wenn der Händler sich nicht vertippt und außerdem sei die Meldung über den Fehler zu spät gekommen. Ist sie damit im Recht?

Grundsatz: Vertipper können angefochten werden

Pricing-Pannen können passieren. Man landet der Finger auf der falschen Zahl oder das Komma an der falschen Stelle. Das ist nur menschlich. Kommt es zu so einer Pricing-Panne, können Händler:innen den Vertrag wegen Irrtums anfechten. Die Anfechtung muss unverzüglich erklärt werden, sobald der Fehler entdeckt wurde. Der Zeitpunkt, wann die Ware gekauft oder geliefert wurde, ist also irrelevant. Die Anfechtung hat zur Folge, dass der Kaufvertrag rückwirkend unwirksam wird. Es wird also so getan, als hätte es den Kaufvertrag nie gegeben. Entsprechend muss die Ware zurückgegeben und der Kaufpreis erstattet werden.

Fazit: Kundin hat keinen Anspruch auf den besseren Preis

Was bedeutet das nun für unseren Fall? Es lässt sich natürlich schwer nachweisen, zu welchem Zeitpunkt der Händler den Fehler bemerkt hat. Man kann aber unterstellen, dass der Händler ab Bemerken des Fehlers nicht gebummelt hat. Die Kundin muss die Anfechtung also akzeptieren. Bei dem angebotenen Rabatt handelt es sich lediglich um ein Kulanzangebot. Eine Pflicht dazu besteht für den Händler jedenfalls nicht.

Dass die Kundin auf den falschen Preis besteht, ist also dreist.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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Kommentare  

#8 anja 2023-07-12 12:55
der kundin sind aber auch kosten entstanden, daß sie nun das ganze verpacken und zurückschicken und ggf. auch noch zur postfoliale o.ä. fahren muß. und ich finde nicht, daß man sich als kunde in jedem fall vergewissern muß, daß es kein tipfehler ist, bei den aktuellen billigaktionen. wenn der händler mit dem angegebenen preis verschickt bei bestellung zu eben diesem preis, wurde in meinen augen, der preis vom händler auch so akzeptiert. der hinweis "falsch angegebener preis" hätte VOR versand der ware erfolgen müssen. ansonsten könnte ja jeder mit angeblichen "tipfehlern" locken und sachen versenden, die dann nachberechnet werden. etliche werden dann wohl zäheknirschend die ware behalten und nachzahlen. auch eine "nette" masche, geschäfte zu machen, gerade bei artikeln, die nicht so hochpreisig sind und dann in masse rausgehen. in meinen augen eine miese masche oder wenn wirklich ein versehen, dann merkt man das VOR versand oder muß dazu stehen.
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#7 brrrrr 2023-07-10 12:25
und wie sieht es aus, wenn der Verkäufer den Artikel im "Privatverkauf" angeboten hatte ?
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#6 Mathias Wegener 2023-07-06 07:37
Natürlich, vollkommen korrekt. Das entscheidende Wörtchen lautet jedoch „wenn“. Dazu müssen immer die Gesamtumstände des Sachverhalts betrachtet werden. Dafür gibt der Artikel natürlich nicht genügend Informationen her. Und das soll und muss er auch nicht. Es geht hier ja um die Darstellung eines ganz allgemeinen Sachverhalts und seiner Beurteilung.

Ich persönlich wollte halt nur klarstellen, dass die Anfechtung eines Kaufvertrages aufgrund eines Erklärungsirrtu ms eben nicht in jedem Fall ohne Konsequenzen für den Händler bleibt. Er muss, eben je nach Sachverhalt, gegebenenfalls einen Schadenersatz an den Kunden einplanen.

Ich selbst habe einen solchen Fall auch bereits einmal erlebt. Allerdings war ich da selbst Kunde. Ein großer deutscher Lebensmittelein zelhändler hatte da in seinem Onlineshop ein Produkt mit 50 % Rabatt angeboten. Der Rabatt war nicht gesondert gekennzeichnet. Der angebotene Preis lag aber ungefähr bei der Hälfte des marktüblichen Preises für das Produkt. Ich kaufte den Artikel als privater Verbraucher. Der Händler stornierte den Kauf kurze Zeit später und begründete dies mit einem Erklärungsirrtu m betreffend den Preis. Das war tatsächlich ein grenzwertiger Fall. Der besagten Artikel wurde durchaus immer mal wieder bei verschiedenen Aktionen rabattiert angeboten. Ein Rabatt von 50 % war allerdings schon ein hervorragendes Angebot.

Und nein, beim Kauf des Artikels hatte ich keine Hintergedanken oder dachte daran, dass es sich hierbei vielleicht um einen Schreibfehler handeln könnte. Der angebotene Preis war zwar ein Schnäppchen, aber durchaus nicht in einem Bereich, wo mir aufgefallen wäre, dass hier etwas nicht stimmen könnte. Zumal insbesondere sehr große Händler natürlich auch beim Einkaufspreis oft hohe Rabatte aushandeln können.

Ich ärgerte mich zwar über die Stornierung, aber selbstverständl ich ging ich nicht rechtlich gegen den Händler vor. Zumal die strittige Summe gerade mal knapp zweistellig war.
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#5 Redaktion 2023-07-06 06:54
Hallo,

das ist hier eine spannende Diskussion.

Im Jurastudium würde man aber sagen, dass das der Sachverhalt nicht hergibt, weil sie schlicht und ergreifend gar keinen Schadensersatz verlangt. ;)

Aber selbst wenn: Es handelt sich bei dem Schadensersatz um einen Vertrauensschad ensersatz. Hat die Kundin von dem Irrtum gewusst oder hätte ihn kennen müssen, weil es beispielsweise ein sehr hoher Rabatt ist, entsteht auch kein Schadensersatzanspruch.

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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#4 Mathias Wegener 2023-07-05 15:17
Doch, dem Kunden entsteht ein Schaden, wenn er ein Produkt nun teurer kaufen muss. Der Schaden ist die Differenz zum Preis beim Händler. Diese Differenz schuldet der Händler dem Kunden.
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#3 HK 2023-07-05 14:29
Erstaunlich, dass Kommentatoren die rechtliche Lage anders empfinden, was aber nichts an den Gegebenheiten ändert. Der Händler erklärt den Irrtum, die Folgen sind dargestellt. Der Kundin selbst entsteht kein Schaden, wenn sie den Artikel nun zum normalen Marktpreis kaufen muss. Im Gegenteil bietet der Händler sogar einen Rabatt als Entschädigung. Anders dürfte es sich bei einer absichtlichen Falschdarstellu ng des Preises darstellen, nur das müsste die Kundin dann beweisen. Einer Klage würde ich als Händler also eher gelassen entgegensehen.

Unabhängig davon würde ich bei 30 Euro als Händler auch keinen großen Aufstand machen und das Ganze als Lehrgeld verbuchen, es sei denn, das Teil ist jetzt massenhaft zum falschen Preis rausgegangen.
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#2 Matthias Wohlfahrt 2023-06-30 15:45
Ich möchte meinen Dank an meinen Namensvetter richten, der den Sachverhalt korrekt präzisiert hat: Ein Kaufvertrag wurde eindeutig abgeschlossen und eine nachträgliche Anfechtung lässt diesen nicht einfach verschwinden. Es wäre eine bedenkliche Praxis in Deutschland, wenn eine der beteiligten Parteien zu jeder Zeit ein einfaches „Oh, ich habe mich geirrt“ einwerfen könnte, woraufhin eine Rückabwicklung ohne jegliche Konsequenzen vollzogen würde. Im spezifischen Fall, den wir hier betrachten, scheint es, dass der Verkäufer vermutlich den Kürzeren gezogen hat. Der Käufer ist nicht gezwungen, die Anfechtung zu akzeptieren und ein rechtlicher Streit mit ungewissem Ausgang erscheint bei der betreffenden Summe eher absurd.
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#1 Mathias Wegener 2023-06-30 07:30
Man sollte festhalten, dass hier grundsätzlich ja ein Kaufvertrag zustandegekomme n ist. Spätestens nämlich ich mit der Lieferung des Pizzasteins an die Kundin.

Selbstverständl ich gibt es Gründe, einen wirksamen Kaufvertrag anzufechten. Der dargestellte Fall zeigt eine solche Möglichkeit. Irrtum, ein sogenannter Erklärungsirrtu m, wäre ein solcher Grund wie im vorliegenden Fall.

Folge ist die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Nun ist es aber nicht so, dass hier einfach der Händler nur den Kaufpreis und eventuelle Transportkosten zurückzahlt und die Kundin den Pizzastein zurücksendet. Gegebenenfalls hat die Kundin nämlich einen Ausgleichsanspr uch, wenn sie sich den Pizzastein nun bei einem anderen Händler zu einem deutlich höheren Preis besorgen muss. Erklärungsirrtü mer gehen nämlich zu Lasten desjenigen, der den Irrtum begangen hat. Im konkreten Fall war das der Händler.
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