Falsche Produkte zurückgesendet

Amazon-Händler beklagen massiven Retourenbetrug

Veröffentlicht: 19.04.2024 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 19.04.2024
Amazon-Paket: Viele Händlerinnen und Händler des Marktplatzes berichten in den USA von Retourenbetrug

Retourenbetrug ist ein Thema, das im Online-Handel stets gegenwärtig ist und sowohl bei einzelnen Unternehmen als auch in der Gesamtwirtschaft immense Schäden verursachen kann. Es taucht in unterschiedlichsten Facetten auf und der Kampf gegen entsprechende Betrugsmaschen erweist sich in der Praxis häufig als Herkulesaufgabe.

Ein aktueller Bericht des Wall Street Journals untermauert die Aktualität des Themas für die Branche: Demnach leiden in den USA derzeit zahlreiche Händlerinnen und Händler auf Amazons Marktplatz unter einer besonderen Form des Betrugs. Sie erhalten falsche Rücksendungen – wobei statt der gelieferten Produkte falsche und darüber hinaus minderwertige Waren zurückgeschickt werden.

Grundsätzlich ist die Art des beschriebenen Retourenbetrugs zwar nicht, an Brisanz und Negativfolgen für die betroffenen Unternehmen hat sich aber auch im Laufe der Zeit nichts geändert. 

Retourenbetrug wird zum Existenzrisiko

In dem Bericht werden die individuellen Erfahrungen verschiedener Amazon-Händlerinnen und -Händler beschrieben. Anzumerken ist hier, dass es in den USA zwar grundsätzlich kein verbraucherfreundliches Widerrufsrecht gibt wie das, von dem deutsche Kundinnen und Kunden profitieren. Allerdings müssen sich Unternehmen, die Amazon als Vertriebskanal nutzen wollen, auch dort an die kundenfreundlichen Richtlinien halten, mit denen sich der Online-Riese schmückt.

Obwohl es sich im Rahmen des Berichts um die Beschreibung einzelner Fälle handelt, können diese exemplarisch herangezogen werden, um das Problem in der Branche zu verdeutlichen.

So sei beispielsweise die Unternehmerin Nicole Barton im Laufe der Zeit von der Zahl solcher Betrugsfälle „überwältigt“ worden. „Ihr Online-Shop, in dem sie Kleidung und Bekleidungsartikel verkaufte, wurde von betrügerischen Rücksendungen überschwemmt“, heißt es, wobei etwa teure Geldbörsen gegen Imitate oder Nike-Fußballschuhe gegen Flip-Flops ausgetauscht wurden. Weil sich das Einschalten von Amazon nicht als umfassende, wirksame Maßnahme erwies, habe sie schließlich ihr Sortiment auf Verbrauchsartikel wie Haustierbedarf umgestellt. Durch diesen Schritt konnte der Retourenbetrug deutlich reduziert werden.

Verschiedene Täter, unterschiedliche Betrugsformen

Die Erfahrungsberichte der betroffenen Anbieter, mit denen das Wall Street Journal gesprochen hatte, zeigen ein immenses Ausmaß an Dreistigkeit der Betrüger: Da erhielt ein Haushaltswaren-Anbieter gebrauchte Seifenstücke zurück, ein Händler für Kaffeeprodukte fand Weihnachtsschmuck und Spielzeugflugzeuge im Retourenpaket und einem Anbieter für Nagelprodukte wurde ein gebrauchter Krallenschneider zurückgesandt – der eben nicht für Menschen, sondern für Hunde gedacht war. 

Den Aussagen zufolge sind einige Amazon-Händlerinnen und -Händler jede Woche mit betrügerischen Rücksendungen konfrontiert. Die Vermögensdelikte können dabei durchaus variieren: Es werden beispielsweise nicht nur intensiv gebrauchte bzw. alte und minderwertige Produkte retourniert, sondern auch gefälschte oder gestohlene Waren. Auch die Täter sind an sich divers: Mal sind es Einzelpersonen, mal Gruppen und manchmal auch Teile großer Betrugsnetzwerke.

 

Verluste werden oft hingenommen – weil Hilfsprozesse nicht richtig greifen

Amazon selbst verweist regelmäßig – auch hierzulande – auf hohe Investitionen, die man tätige, um illegalen Aktivitäten auf dem Online-Marktplatz Einhalt zu gebieten. Dazu gehören beispielsweise der Einsatz und die Weiterentwicklung von Technologien, aber auch die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden. Mit Blick auf Vorfälle von Retourenbetrug habe der Konzern durch eine Sprecherin darauf verwiesen, dass man „keine Toleranz für betrügerische Rücksendungen bei Amazon“ habe. 

Viele Händlerinnen und Händler beklagen allerdings, dass das System von Amazon zu lange und zu intensiv auf die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden ausgerichtet war – und die Belange der handelten Unternehmen dabei zum Teil auf der Strecke blieben.

Vonseiten der Betroffenen war unter anderem zu hören, dass der Ausgang gemeldeter Betrugsfälle als eher zufällig wahrgenommen wurde – nicht immer zufriedenstellend, eher ein Glücksspiel. Auch sei der Aufwand und die Investition von Zeit und Kraft für die Meldung und Verfolgung solcher Betrügereien immens. Hinzu komme, dass sich die Bearbeitungsprozesse über Wochen hinziehen können und Amazon schlussendlich nicht immer den vollen Betrag an betroffene Unternehmen auszahle, sondern manchmal nur einen Teil erstatte. Das Resultat: „Oft sagen die Verkäufer, dass sie den Verlust einfach hinnehmen“, so der Bericht weiter.

Maßnahmen gegen Retourenbetrug sind mehr Pflicht als Kür

Ein Allheilmittel oder ein Patentrezept, um Retourenbetrug auszuschließen, gibt es leider nicht, sonst hätte das Problem in der Branche nicht jene Ausmaße, die es hat. Allerdings gibt es durchaus Maßnahmen und Strategien, die dabei helfen können, Fälle solcher Betrugsdelikte zu reduzieren. Weil Retourenbetrug in der Branche weit verbreitet ist und die Schäden teils enorm ausfallen, sollten Unternehmen jedenfalls nicht untätig bleiben, sondern proaktiv daran arbeiten, die Gefahr zu minimieren. 

Fünf Maßnahmen empfiehlt etwa der bayerische Logistikdienstleister Global Brands Logistics den Unternehmen der Branche, um sich zu wappnen:

  • Die Rücksendebedingungen und -richtlinien sollten klar formuliert und verständlich sein. Sie informieren Kundinnen und Kunden über den Ablauf der Prozesse, die einzuhaltenden Fristen sowie spezifische Anforderungen.
  • Retouren sollten stets sorgfältig auf Kriterien wie Korrektheit, Zustand und Umfang geprüft werden.
  • Spezialisierte Systeme sind in der Lage, Rücksendungen zu überwachen, zu analysieren und darüber hinaus Muster betrügerischer Verhaltensweisen aufdecken. Auf dieser Basis lassen sich dann Verdachtsfälle genauer prüfen.
  • Durch Schulungen, Workshops oder Weiterbildungen lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema Retourenbetrug und seine verschiedenen Ausprägungen sensibilisieren. Klare Richtlinien helfen den eigenen Teams außerdem dabei, Verdachtsfälle aufzudecken und professionell mit diesen umzugehen.
  • Die Erhebung einer Rücksendegebühr kann die Retourenquote sowie die Zahl entsprechender Betrugsversuche durchaus reduzieren. In der Branche ist die Einführung solcher Kosten längst keine Seltenheit mehr.

Der Gang zum Anwalt oder zur Polizei sollte nicht gescheut werden

Werden Unternehmen trotz entsprechender vorbeugender Maßnahmen mit beschriebenen Betrugsfällen konfrontiert, dürfte der erste Gang natürlich Richtung Amazon sein. Abseits dieser Standardprozedur dürften sich nicht nur die aktuell betroffenen Unternehmen aus den USA, sondern auch hiesige Händlerinnen und Händler fragen, ob sie neben der Meldung bei Amazon auch die Polizei einschalten oder einen Gang zum Anwalt wahrnehmen sollten.

Scheuen sollten sich Betroffene jedenfalls nicht, wenn sie ihre Rechte strafrechtlich einfordern wollen. Der Gang zur Polizei ist in diesem Fall alternativlos, denn nur auf diesem Wege kann die Strafverfolgung eingeleitet und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt werden. Daneben steht es Händlerinnen und Händlern frei, auch auf zivilrechtlichem Wege gegen potenzielle Betrüger vorzugehen, um entstandene Schäden geltend machen zu können.

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Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Tina Plewinski

Kommentare  

#2 Gual61 2024-04-23 13:52
"Die Erhebung einer Rücksendegebühr kann die Retourenquote sowie die Zahl entsprechender Betrugsversuche durchaus reduzieren. In der Branche ist die Einführung solcher Kosten längst keine Seltenheit mehr."

Wie bitte? Es heißt seit eh und je "im Falle eines Widerrufs ist der Kunde so zu stellen als ob er den Kauf nie getätigt hätte"

Woraus sollte sich also der gesetliche Spielraum ergeben um eine solche Gebühr im B2C Geschäft zu erheben?

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Antwort der Redaktion

Hallo,

dieser Merksatz bezieht sich auf das Gewährleistungs recht. Beim Widerrufsrecht dürfen die Rücksendekosten auf die Kundschaft umgewälzt werden. Voraussetzung dafür ist eine rechtssichere Widerrufsbelehrung.

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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#1 Jörg Lindner 2024-04-23 11:59
Kann ich nur Zustimmen, jeder der Falsche oder gebrauchte Ware zurück sendet und meint die Ware dann nicht zahlen zu müssen (ggf auch nur als Teil), gehört angezeigt. Wir hatten hier auch schon ein paar Spezialisten, die meinten durch zu kommen. Wie sich dann raus stellte wohl schon des öftern durch gezogen, da schon Ermittlungsverf ahren lief.
Ggf. nicht neu, aber es kommt doch nun wieder verhäuft dazu das man ein existierende Firma als Besteller vor schiebt und dann an ne andere Adresse liefern lässt.
Auch hier kann ich nur empfehelen, die jeweilige Firma zu Informieren und ne Anzeige zu machen, wenn auch kein direkter Schaden entsteht, wenn man nicht liefert, ist es trotzallem ein Versuchter Betrug, da man ja davon ausgehen kann, das auch keine Zahlung geflossen wäre.
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