Jahresrückblick der Redaktion

Twitter, Gurken und KI – Das war 2023

Veröffentlicht: 21.12.2023 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 21.12.2023
2023

Welche Ereignisse des Jahres 2023 haben uns besonders beschäftigt? Unsere Redakteur:innen blicken auf ein aufregendes Jahr voller Höhepunkte und einiger Lowlights zurück.

Ricarda: Satz mit X

Ricarda Eichler

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Vision. Ein Projekt, das die Welt verändern soll. Etwas ganz, ganz großes. Aber irgendwie, und sie haben keine Ahnung warum, mag niemand so recht an den Erfolg ihres Projekts glauben. Statt Sie zu unterstützen, ekeln diese Banausen Sie einfach aus dem gemeinsam gegründeten Finanzunternehmen heraus und wollen nicht mehr mit ihnen spielen.

Wie fühlt sich das an? Da kommt sicher etwas Wut hoch, oder? Böse, ungerechte Welt! Aber denen werden Sie es zeigen! Sie bauen jetzt einfach krasse Autos und Raketen! Und dann verdienen Sie ganz viel Geld und dann wird Ihre Vision eines Tages wahr werden. Wie? Wir sind gar nicht mehr in der Finanzbranche? Ach egal, ein Kurznachrichtendienst tut es auch. Hauptsache, er heißt jetzt X. Knackig, elegant, effizient.

Doch schon wieder will niemand so recht verstehen, worauf Sie eigentlich hinaus wollen. „Eine Plattform sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden“ – ein One-Stop-Shop für irgendwie alles. Ist doch klar. Und wenn es mit PayPal einst nichts wurde, dann eben jetzt mit Twi… Verzeihung X.

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass Musk mit seiner wirren Vision ein funktionierendes System in den absoluten Ruin treibt. Statt sein Ding mit dem X an separater Stelle zu einem möglichen Erfolg zu führen, wendete er den einst beliebten Kurznachrichtendienst um 180 Grad. Statt zu merken, dass die Veränderungen nicht gut ankommen, sitzt er in der Ecke und bockt. Und der einst blaue Vogel brennt.

Tina: Harry-Potter-Star und Musik-Ikonen kämpfen um hungrige Kunden

Tina Plewinski

Pizza, Sushi oder Bowl? Wer sich nach einem stressigen Arbeitstag mit schnellem Lieferessen belohnen will, steht bekanntermaßen vor der Qual der Wahl. Und nicht nur das eigentliche Essen muss ganz nach den aktuellen Gelüsten weise gewählt werden, auch verschiedene Lieferplattformen machen einem die Entscheidung nicht gerade einfacher. Dass der Kampf der Lieferanten um die hungrige Kundschaft hart ist, zeigt sich spätestens auch an den umfangreichen Werbeaktivitäten, die in den vergangenen Monaten zu sehen waren.

Es kommt nicht oft vor, dass es quasi eine ganze Branche schafft, sich mit spannenden Kampagnen aus der werblichen Masse zu schälen und sich in Kopf und Herz der Verbraucherinnen und Verbrauchern zu bohren. Doch in meinen Augen haben es Lieferando und Uber Eats geschafft, sich ein wunderschönes Marketing-Battle zu liefern, dem man sich als Zuschauer:in nur schwerlich entziehen kann.

Der hauseigene Essenslieferdienst von Uber hatte sich beispielsweise den Harry-Potter-Star Tom Felton geschnappt, der in der berühmten Buchserie den Fiesling Draco Malfoy spielt, und ihn einen abenteuerlichen Zauber-Krimi durchleben lassen. Auch Spots mit weiteren Berühmtheiten wie Idris Elba oder Robert de Niro und Asa Butterfield sind Werbegold. Das i-Tüpfelchen bildet meines Erachtens aber eine Kampagne, die bereits 2022 begonnen wurde und die den Song „Erstmal Essen“ der Musikerin Dilla in den Fokus rückt. Das Lied hat sich im Laufe der vergangenen Monate unwiderruflich in meine Gehirnwindungen gebrannt und kommt regelmäßig aus mir herausgebrochen, wenn sich ein Hungergrollen anbahnt. Ein Hoch auf gute Werbesongs!

Auch beim Konkurrenten Lieferando steht die Musik im Zentrum aktueller Werbevideos. Mit dem amerikanischen Pop-Sternchen Katy Perry hatte das Unternehmen schon im letzten Jahr knallbunte Szenerien auf die Beine gestellt, die nicht nur durch ihr plastisches Design auffielen, sondern auch durch den Jingle „Hör ich da Lieferando“ im Kopf blieben. Noch schriller und exzentrischer wurde die Kampagne in diesem Jahr fortgeführt – die in einem üppig beladenen Bling-Bling-Video mit den Sängerinnen Latto und Christina Aguilera ihren bisherigen Höhepunkt fand.

Die Kampagnen aus der Lieferwelt sind ein erfreuliches Spektakel, das Augen, Ohren und schließlich auch den Magen erfreuten. Da zeigt sich wohl, dass ein bisschen Konkurrenzkampf manchmal gar nicht schadet. Die werbliche Essensschlacht ist definitiv eines meiner Highlights aus dem Jahr 2023.

Corinna: Das Gurken-Dilemma

Corinna Flemming 

Na, war für euch der Gang in den Supermarkt in diesem Jahr auch von Angst und Schrecken begleitet? Normalerweise hat es mir immer Freude bereitet, den Kühlschrank zu füllen und zumindest für ein bis zwei Tage eine riesige Auswahl an verschiedenen Essensmöglichkeiten zu haben. In diesem Jahr ist die Freude über den Wocheneinkauf aber komplett verflogen. Grund war natürlich die immense Inflation und die immer weiter steigenden Lebensmittelpreise. Dabei habe ich wirklich versucht, bewusst und sparsam einzukaufen.

Zum einen nahm ich mir jede Woche das Angebotsblättchen des Supermarktes meiner Wahl vor (was inzwischen zu meinem persönlichen Pornoheft geworden ist) und stöberte sorgfältig die Rabatte und Angebote durch. Darauf aufbauend plante ich die gesamte Woche mit einem Essensplan durch, machte einen Einkaufszettel und versuchte mich (bis auf wenige Ausnahmen) strikt an diesen zu halten. Das klappte die ersten Monate des Jahres auch recht gut, bis zum verhängnisvollen Frühjahr 2023.

Nichtsahnend betrat ich den Supermarkt meines Vertrauens, steuerte direkt die Gemüseabteilung an und da starrte er mich an: Der Preis des Grauens! 1,99 Euro für eine einzige Gurke! Unfassbar. Normalerweise würde ich bei einem solchen Preis lachend davon gehen und mich für ein anderes Gemüse entscheiden. Nun kam aber mein ganz persönliches Dilemma ins Spiel: Meine 2-jährige Tochter is(s)t, was Gemüse angeht, sehr wählerisch, um nicht zu sagen speziell. Es gibt tatsächlich nur ein Gemüse, was sie tatsächlich isst, und jetzt dürft ihr gerne mal raten, was dieses Zauber-Gemüse ist? Natürlich Gurken. Hier stand ich also im Supermarkt und musste mich also entscheiden: gesunde Ernährung für meine Tochter oder jemals wieder Urlaub machen? Trotz der horrenden Summe entschied ich mich dann doch dafür, zwei Gurken mitzunehmen. Auf dem Nachhauseweg fragte ich mich dann schließlich, wann nach der Strom- und Gaspreisbremse denn endlich die Gurkenpreisbremse kommt? Ein Blick in die sozialen Netzwerke verriet mir dann auch: Ich stehe mit dem Problem nicht alleine da. Zahlreiche Posts fanden sich unter dem #Gurke, geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.

Inzwischen sind die Preise für Gurken zwar wieder gefallen (und ich kann sie ohne schlechtes Gewissen für meine Tochter kaufen), in vielen Bereichen des täglichen Lebens liegen die Preise aber nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Dieses Ereignis war aber definitiv eines meiner Lows in diesem Jahr, und da stehe ich mit Sicherheit nicht alleine da. Hoffen wir auf ein besseres 2024!

Christoph: KI 2023 – Ist das schon Dystopie?

Christoph Pech 

Ist das nun die technologische Revolution oder viel Lärm um nichts? Technologisch war 2023 wie kein Jahr zuvor von künstlicher Intelligenz geprägt. Klar, die Technologie ist nicht neu. Sie wird seit Jahrzehnten entwickelt und erforscht und ist mindestens genauso lang Bestandteil meist wenig optimistischer Science-Fiction-Geschichten. Und ChatGPT startete ja nun auch schon letztes Jahr.

Aber noch nie stand künstliche Intelligenz so sehr im (medialen) Fokus und noch nie war sie so nah an der Mehrheitsgesellschaft. Unternehmen prahlen mit ihrem Einsatz, Verbraucher:innen nutzen sie bewusst und unbewusst im Smartphone und die meisten haben ChatGPT in diesem Jahr mehr oder weniger sinnvolle Fragen gestellt (wir auch), und wenn es nur darum ging, ein bisschen Schabernack zu treiben.

Bei all dem ist Künstliche Intelligenz aber nicht nur lustiges Technologie-Gadget. KI verändert gerade in Windeseile ganze Branchen und Lebensbereiche, sei es bei der Automatisierung von Arbeitsprozessen oder bei der Art, wie Online-Marktplätze funktionieren. Mehr noch als bisher treten aber die Schattenseiten zutage. KI-generierte Deepfakes (zuletzt etwa die gefälschten Tagesschau-Beiträge) haben Hochkonjunktur, gefälschte Bilder und Texte fachen Hass und Hetze im Gaza-Konflikt an. Und wenn die Entwickler der populärsten KI-Anwendung, ChatGPT, vor einer nicht kontrollierbaren Super-KI warnen und diverse Tech-Größen einen KI-Entwicklungsstopp fordern, weil die Folgen des aktuellen Wettrennens nicht absehbar sind, dann ist der Weg in die Dystopie womöglich kürzer als man denken möchte. Bloß gut, dass wenigstens ChatGPT sich aktuell eine Entwicklungspause gönnt und lieber auf der faulen Haut liegt, möchte man meinen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

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