Arbeitsrecht

Von der Abmahnung bis zur Kündigung

Veröffentlicht: 19.06.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 23.06.2023
Eine Gruppe von Menschen zerfällt. Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen.

Bei einem Arbeitsvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, welches mit einer einseitigen Kündigung beendet werden kann. Einseitig bedeutet, dass die Kündigung lediglich durch eine Seite – unter Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen – erklärt werden muss und dann unwiderruflich gilt.

Insbesondere für arbeitgebende Unternehmen kann so eine Kündigung zum rechtlichen Minenfeld werden. Wir haben uns daher die wichtigsten Aspekte zum Thema angeschaut und einen Überblick erstellt.

Vorab: Benötigt es vor jeder Kündigung eine Abmahnung?

Oftmals liest man, dass vor einer Kündigung in jedem Fall eine Abmahnung erfolgt sein muss. Das ist allerdings ein Irrglaube. Eine Abmahnung kann bei verhaltensbedingten Kündigung notwendig sein.

Wir haben noch einmal die sieben wichtigsten Fakten zur arbeitsrechtlichen Abmahnung zusammengefasst:

Fakt 1: Die Abmahnung ist ein Warnschuss und erfüllt eine Hinweis- und Dokumentationsfunktion. Daher gilt sie auch als Vorstufe zur Kündigung.

Fakt 2: Die Abmahnung kann bei der verhaltensbedingten Kündigung zur Voraussetzung werden. Auf eine Abmahnung sollte dann zurückgegriffen werden, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine Verhaltensänderung herbeigeführt werden kann.

Fakt 3: Wer eine Abmahnung ausspricht, darf nicht aus dem gleichen Grund eine Kündigung aussprechen. Wird bei einem bestimmten Verhalten erst einmal auf das mildere Mittel der arbeitsrechtlichen Abmahnung zurückgegriffen, wird de facto auf das Kündigungsrecht verzichtet.

Fakt 4: Eine Abmahnung sollte unmittelbar, mindestens aber innerhalb von 14 Tagen ausgesprochen werden.

Fakt 5: Abmahnungen müssen verhältnismäßig sein. Ist der Verstoß unerheblich, bietet sich zunächst eine rechtlich irrelevante Ermahnung an.

Fakt 6: Abmahnungen sind an keine Form gebunden, sollten aber (auch) schriftlich erfolgen.

Fakt 7: Wiederholt sich das abgemahnte Verhalten, sollte das nächste Mittel die Kündigung sein. Folgt wieder „nur“ eine Abmahnung, entwertet dass die Warnfunktion. Eine dann ausgesprochene Kündigung kann dann rechtswidrig sein.

Die einzelnen Fakten gibt es noch einmal ausführlicher in dem Artikel „7 Fakten zur Abmahnung im Arbeitsrecht

Keine Kündigungsfreiheit, wenn der Kündigungsschutz greift

Während Arbeitnehmer:innen in der Regel ohne Hindernisse ordentlich kündigen können, sieht es auf der Seite der Arbeitgeber:innen schon anders aus: Diese genießen insbesondere dann keine Kündigungsfreiheit, wenn das Kündigungsschutzgesetz greift. Der Kündigungsschutz greift für Mitarbeitende, wenn sie ohne Unterbrechung länger als sechs Monate im Unternehmen tätig sind und wenn der Betrieb mehr als zehn Beschäftigte hat. Sind diese zwei Voraussetzungen erfüllt, dürfen arbeitgebende Unternehmen nicht mehr ohne Weiteres eine Kündigung aussprechen, sondern müssen diese begründen. Bei der Kündigung eines unter Kündigungsschutz stehenden Team-Mitglieds darf lediglich auf die Gründe zurückgegriffen werden, die im Kündigungsschutz genannt werden.  

Personenbedingte Kündigung

Es darf eine Kündigung ausgesprochen werden, wenn die Gründe in der Person des Arbeitsnehmers oder der Arbeitnehmerin liegen. Ein typisches Beispiel sind dabei lange Krankschreibungen. Allerdings müssen auch hier Voraussetzungen erfüllt sein. Insgesamt müssen vier Umstände vorliegen:

  • Negative Prognose: Wegen persönlicher Eigenschaften und/oder Lebensumstände werden auch in Zukunft arbeitsvertragliche Pflichten nicht erfüllt werden.
  • Dass die vertragliche Leistung nicht erbracht werden kann, beeinträchtigt die betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.
  • Es gibt keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen, bei dem sich die Defizite nicht oder kaum bemerkbar machen würden.
  • Bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das des arbeitgebenden Unternehmens an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Trifft auch nur eine der Voraussetzungen nicht zu, darf eine personenbedingte Kündigung nicht ausgesprochen werden. Typische Grundlagen für eine personenbezogene Kündigung sind beispielsweise der Verlust der Erlaubnis zur Berufsausübung, eine Haftstrafe oder eine erhebliche individuelle Leistungsschwäche. 

Verhaltensbedingte Kündigungen

Kündigungen, die im Verhalten des Mitarbeitenden begründet sind, nennt man verhaltensbedingte Kündigungen. Auch hier müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss in erheblicher Weise gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen worden sein.
  • Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Verstoß. Außerdem muss der Verstoß schuldhaft begangen worden sein. Die Person muss also vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gehandelt haben.
  • Es gibt kein milderes Mittel, wie etwa eine arbeitsrechtliche Abmahnung oder Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz.
  • Bei der umfassenden Abwägung aller Interessen überwiegen die des arbeitgebenden Unternehmens an der Kündigung.

Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung können neben einer Leistungsverweigerung oder Minderleistung auch tätliche Angriffe, Mobbing oder das unentschuldigte Fernbleiben von der Arbeit sein.

Betriebsbedingte Kündigung

Während es bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung um die Arbeitnehmer:innen geht, geht es bei der betriebsbedingten Kündigung um das Unternehmen. Daher wird sie auch oft als Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen bezeichnet. Hier sind die vier Voraussetzungen:

  • Aufgrund von betrieblichen Erfordernissen sinkt der Bedarf an Arbeitsleistung. Typische Beispiele sind die Schließung einer Abteilung oder die Änderung von Arbeitsabläufen.
  • Die Beendigung ist dringlich, das heißt, es gibt keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung. 
  • Bei der Interessenabwägung überwiegen die Interessen des arbeitgebenden Unternehmens.
  • Es wurden bei der Auswahl der Personen, die eine Kündigung erhalten, soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt. Das bedeutet, dass der Person zuerst gekündigt werden muss, die die Kündigung am wenigsten trifft. 

Achtung: Ein bloßer Umsatzrückgang ist kein betriebliches Erfordernis und erfüllt daher die erste Voraussetzung aus dieser Liste nicht. Umsatzrückgänge können aber der Grund für betriebliche Erfordernisse, wie etwa eine Umstrukturierung sein, die dann wiederum Arbeitsplätze obsolet machen. 

Kündigungen im Kleinbetrieb

In sogenannten Kleinbetrieben gibt es keinen allgemeinen Kündigungsschutz, da hier oftmals maximal beziehungsweise weniger als zehn Mitarbeitende beschäftigt sind. Bei der Berechnung, ob der Kündigungsschutz greift, müssen allerdings ein paar Sachen beachtet werden. 

Zunächst muss geklärt werden, ob es sich um einen Betrieb handelt. Dieser Fakt mag banal klingen, was aber ist beispielsweise mit der Supermarktfiliale? Zählen hier nur die Menschen, die an diesem Ort beschäftigt sind, oder alle, die zum großen Konzern gehören? Genau deswegen ist es wichtig zu schauen, was eigentlich genau mit einem Betrieb gemeint ist. Das Kündigungsschutzgesetz meint mit Betrieb eine Einheit, die hinreichend aller Personalangelegenheiten selbstständig ist. Entscheidet beispielsweise eine Filialleiterin selbstständig über die Einstellungen, Entlassungen und Urlaubsgewährungen ihrer elf Angestellten, so handelt es sich bei der Filiale um einen Betrieb.

Nun muss aber noch geschaut werden, wie viel die einzelnen elf Mitarbeitenden zählen. Die elf Personen aus der Filiale haben unter Umständen keinen Kündigungsschutz, weil sie beispielsweise nicht Vollzeit arbeiten. Je nachdem, wie viele Stunden erbracht werden, werden die Mitarbeitenden lediglich anteilig gezählt.

Aktuelle Berechnungsgrundlage:

  • Wer mehr als 30 Wochenstunden arbeitet, gilt als ein Mitarbeitender
  • Nur als 0,75 beschäftigte Person zählt, wer eine Stelle mit mehr als 20 und bis zu 30 Stunden hat.
  • Mit 0,5 wird berücksichtigt, wer 20 oder weniger Stunden arbeitet.
  • Auszubildende werden gar nicht berücksichtigt.
  • Leiharbeitskräfte zählen zwar mit, genießen selbst aber keinen Kündigungsschutz.

 

Handelt es sich nach der Berechnung tatsächlich um einen Kleinbetrieb, müssen Führungskräfte das Kündigungsschutzgesetz nicht beachten. In der Folge wird kein Kündigungsgrund benötigt und es muss auch keine Sozialauswahl getroffen werden. Auch eine Abmahnung, wie sie in größeren Betrieben in manchen Fällen vor der Kündigung erforderlich ist, muss im Kleinbetrieb nicht erst ausgesprochen werden. Allerdings müssen dennoch bestimmte Punkte beachtet werden. 

Dazu gehören natürlich Form und Frist (siehe unten). Außerdem besteht das Maßregelverbot. Beispielsweise dürfen Mitarbeitende durch eine Kündigung nicht für ihr Engagement in einer Gewerkschaft bestraft werden. Auch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss beachtet werden. Niemandem darf aufgrund sexueller Orientierung, Religion, Geschlecht oder des Alters das Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Treuwidrig und sittenwidrig darf eine Kündigung auch nicht sein. Eine Kündigung ist dann treu- und sittenwidrig, wenn sie beispielsweise direkt nach einem schweren Arbeitsunfall ausgesprochen wird. Auch von Kleinbetrieben wird ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme erwartet. 

Sonderkündigungsschutz beachten 

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz muss außerdem noch der Sonderkündigungsschutz beachtet werden. Dieser gilt unabhängig von der Zahl der Mitarbeitenden auch für Kleinbetriebe. Einen besonderen Kündigungsschutz genießen Mitglieder des Betriebsrates, Schwangere und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung, Arbeitnehmer:innen in Elternzeit und schwerbehinderte Menschen. Kündigungen sind in diesen Fällen oftmals nur mit einer Genehmigung möglich. Für die Kündigung von Schwangeren oder Menschen mit einer schweren Behinderung muss beispielsweise die Zustimmung der Landesbehörde für Arbeitsschutz für Ausnahmefälle eingeholt werden. 

Form- und fristgerecht kündigen 

Damit eine Kündigung wirksam ausgesprochen wird, muss die Form und auch die Frist beachtet werden. 

Das Thema Form ist recht schnell geklärt: Kündigungen müssen schriftlich erklärt werden. Entscheidet sich die Führungskraft für ein persönliches Kündigungsgespräch, muss also dennoch ein Kündigungsschreiben ausgehändigt werden. Dieses Schreiben muss eigenhändig unterschrieben sein. Daher ist eine Kündigung via E-Mail oder WhatsApp unwirksam. Wer eine Kündigung unterschreiben darf, sollte klar im Unternehmen geregelt sein. Wird die Kündigung von einer Führungskraft unterschrieben, die hierfür keine ausreichende Vertretungsmacht hat, so ist die Kündigung unwirksam. 

Eine ordentliche Kündigung muss außerdem nicht begründet werden. Wird allerdings von Gekündigten oder Gekündigten eine Begründung gefordert, ist diese „unverzüglich schriftlich mitzuteilen“ (§ 626 Absatz 2 BGB). 

Wenn im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen, die sich an der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses orientieren. Im Arbeitsvertrag selbst können aber abweichende Fristen vereinbart werden. Wichtig ist hier, dass Arbeitnehmer:innen nicht gegenüber dem Unternehmen benachteiligt werden. Soll heißen: Die Kündigungsfristen vonseiten des Unternehmens dürfen nicht kürzer als jene sein, die den Mitarbeiter:innen eingeräumt werden.

Egal, ob gesetzliche oder vertragliche Frist: Die Kündigung muss fristgerecht ausgesprochen werden. Doch was heißt das überhaupt? Damit ist gemeint, dass das Schreiben fristgerecht zugehen muss. Wird die Kündigung per Post verschickt, muss also die Versandzeit beachtet werden. Im Zweifel kann ein Kurierdienst für eine fristgerechte Zustellung sorgen. Bei einer persönlichen Übergabe muss der Zeitpunkt natürlich auch gut gewählt sein. Immerhin sollte in der Kündigung idealerweise der Zeitpunkt genannt sein, zu dem der Arbeitsvertrag enden soll. Dieser Zeitpunkt gilt aber nur, wenn die Kündigung vorher innerhalb der vertraglichen oder gesetzlichen Frist zugegangen ist. Geht sie zu spät zu, ist die Kündigung unwirksam. 

Fazit: Kündigungen gut durchdenken

Kündigungen sollten natürlich nie leichtfertig ausgesprochen werden. Der Verlust des Arbeitsplatzes stellt in der Regel einen Einschnitt in das Leben eines Menschen dar. Auch aus gesetzlichen Gründen muss eine Kündigung vorab gut durchdacht werden. In Kleinbetrieben muss nachgerechnet werden, ob der Kündigungsschutz greift. In größeren Betrieben muss genau eruiert werden, ob einer der gesetzlichen Gründe vorliegt und auch im Zweifel belegt werden kann. 

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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