Arbeitsrecht

Betriebsrat darf Liste von schwerbehinderten Arbeitnehmenden fordern

Veröffentlicht: 11.10.2023 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 11.10.2023
Geschäftsmann übergibt Umschlag

Der Betriebsrat ist ein wichtiges Organ in einem Unternehmen. Zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem, auf besonders schutzbedürftige Mitarbeitende zu achten, also auf ältere oder ausländische Arbeitnehmende, aber auch auf behinderte Menschen. Der Betriebsrat hat darauf zu achten, dass diese Personen aufgrund ihrer Behinderung, Nationalität oder des Alters weder benachteiligt noch diskriminiert werden.

Doch wie kann ein Betriebsrat diese Aufgabe bewerkstelligen, wenn er gar nicht genau weiß, um welche Personen es sich im Unternehmen handelt? Ein Betriebsrat verlangte Auskunft und wollte eine vollständige Liste der schwerbehinderten Arbeitnehmenden – doch der Arbeitgeber verweigerte dies. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab in einem gestern veröffentlichten Beschluss aus dem Mai dem Betriebsrat Recht. 

Betriebsrat darf vollständige Liste verlangen 

Wie sich aus dem Beschluss des BAG (Beschluss vom 09.05.2023 – 1 AZR 14/22) ergibt, haben Betriebsräte das Recht, eine vollständige Liste der schwerbehinderten, und diesen juristisch gleichgestellten, Arbeitnehmer:innen zu verlangen. Davon umfasst sind daher auch leitende Angestellte. 

Ausschlaggebend war ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe und anschließend dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Der Betriebsrat eines Entsorgungsunternehmens wollte sicherstellen, dass er seinen Pflichten zum Schutz von Schwerbehinderten im Unternehmen nachkommt. Auch jene Beschäftigten, die vom Gesetz den Schwerbehinderten gleichgestellt sind, also diejenigen, die einen Grad der Behinderung von 30 und nicht von 50 oder mehr haben, sollten davon betroffen sein. Die Belegschaftsvertretung legte dem Arbeitgeber auch ein umfangreiches Datenschutzkonzept vor. Doch der Arbeitgeber weigerte sich, die Daten herauszugeben.

Umfangreiches Datenschutzkonzept vorgelegt

Das BAG sah, wie auch schon das ArbG Karlsruhe und das LAG Baden Württemberg, das Begehren des Betriebsrates als berechtigt an und war vom erarbeiteten umfangreichen Datenschutzkonzept überzeugt. Dieses sah unter anderem vor, dass nur der Vorsitzende und bei Verhinderung seine Stellvertretung berechtigt ist, personenbezogenen Daten entgegenzunehmen. Sollte eine elektronische Übermittlung erfolgen, war ausschließlich ein bestimmtes E-Mail-Postfach vorgesehen und das Passwort des im Büro des Betriebsrats stehenden Computers war nur den Mitgliedern des Gremiums bekannt. Beck-aktuell berichtet von weiteren zahlreichen Schutzmaßnahmen innerhalb des Konzepts. 

Die Richter erkannten den Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft über die Namen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer:innen nach § 80 Absatz 2 Satz 1 BetrVG als gegeben. Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Für das Gericht stand außer Frage, dass es die Aufgabe des Betriebsrats sei, darüber zu wachen, „dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“. Die DSGVO stehe dem ebenfalls nicht im Wege, erkannten die Richter des BAG. 

Betriebsrat auch für leitende Angestellte zuständig

Das Gericht musste sich jedoch noch mit einer weiteren Frage auseinandersetzen: Ist der Betriebsrat in diesem Fall auch für leitende Angestellte zuständig? Denn grundsätzlich sind leitende Angestellte zwar ebenfalls arbeitsrechtlich Arbeitnehmer:innen. Für sie ist aber nicht der Betriebsrat, sondern der sogenannte Sprecherausschuss zuständig (§ 5 Absatz 3 BetrVG in Verbindung mit dem Sprecherausschussgesetz). 

In diesen Belangen sahen die Richter die Berechtigung des Betriebsrats, sich auch um leitende Angestellte zu kümmern, als gegeben an. Schließlich betreffen die dem Betriebsrat auferlegten Pflichten zur Förderung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen und den Überwachungsaufgaben zum Schutz der schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen im Betrieb ebenfalls leitende Angestellte – auch wenn diese das Gremium gar nicht wählen.

 „Die Entstehungsgeschichte belegt die Absicht des Gesetzgebers, den mit der Norm bezweckten Schutz der schwerbehinderten Menschen möglichst umfassend und lückenlos auszugestalten“, erläutern die Erfurter Richter. Um das erfüllen zu können, müsse der Betriebsrat auch für die Personengruppe der leitenden Angestellten zuständig sein. Abschließend heißt es: „Den Fragen, welche Stellung der jeweils Betroffene im Betrieb oder Unternehmen hat und welche Befugnisse gegebenenfalls damit verbunden sind, kommt hingegen keine Bedeutung zu.“

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Über die Autorin

Julia Petronis
Julia Petronis Expertin für: IT- und Medien-Recht

Julia ist seit April 2021 als juristische Redakteurin bei uns tätig. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig konzentrierte sie sich vor allem auf das Medien- und IT-Recht, sowie das Wettbewerbs- und Urheberrecht – und kann dieses Wissen heute auch „in der echten Welt“ einsetzen.

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