Rückblick

Die 10 interessantesten Entscheidungen der Arbeitsgerichte 2023

Veröffentlicht: 12.12.2023 | Geschrieben von: Hanna Hillnhütter | Letzte Aktualisierung: 12.12.2023
2023

Eine zerquetsche Mandarine, ein Tanz mit einem Flamingo und geklautes Grillfleisch: Die Arbeitsgerichte mussten in diesem Jahr einige wichtige Entscheidungen treffen. Die 10 spannendsten haben wir zusammengestellt. 

Bundesarbeitsgericht stärkt die Lohngerechtigkeit

Im Januar startete das Bundesarbeitsgericht (BAG) direkt mit einer Grundsatzentscheidung zum Thema Equal Pay. Im Jahr 2022 haben Frauen durchschnittlich immer noch 18 Prozent weniger als Männer verdient (Quelle: Statistisches Bundesamt). Mit dem Equal Pay Urteil des Bundesarbeitsgerichts könnte diese Lücke zukünftig etwas kleiner werden. 

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die in einem Meißner Metallunternehmen beschäftigt ist. Sie erhielt 1.000 Euro weniger Bruttolohn als ein männlicher Kollege, der etwa zur gleichen Zeit im Unternehmen angefangen hatte. Während sie vor dem Arbeitsgericht Dresden und dem Landesarbeitsgericht Sachsen keinen Erfolg hatte, bekam sie vor dem Bundesarbeitsgericht recht. Besseres Verhandlungsgeschick ist kein objektives Kriterium, entschied das BAG. Die Klägerin erbringt die gleiche Arbeitsleistung wie der männliche Kollege und hat so auch ein Anrecht auf das gleiche Gehalt. Das Unternehmen wurde dazu verurteilt, der Arbeitnehmerin eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von 14.500 Euro sowie eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu zahlen. 

Arbeitsunfall, oder nicht?

Wer arbeitet, lebt gefährlich, so wirkt es zumindest, wenn man sich die Vielzahl der Urteile anschaut, die sich mit Arbeitsunfällen beschäftigen. Denn schon der Gang zur Kaffeemaschine kann es in sich haben. Eine Verwaltungsangestellte aus Hessen rutschte auf dem Weg zur Kaffeemaschine auf dem feucht gewischten Boden aus und zog sich dabei einen Lendenwirbelbruch zu. Die Unfallkasse Hessen war hier allerdings der Auffassung, dass es kein Arbeitsunfall war, da es sich um Nahrungsaufnahme in der Pausenzeit handelte. Das sah das Landessozialgericht Hessen aber anders und urteilte, dass hier sehr wohl ein Arbeitsunfall vorlag. Immerhin hat die Arbeitnehmerin gerade nicht das Gebäude verlassen und befand sich weiterhin in der Betriebsstätte und somit im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Der Sturz war also als Arbeitsunfall zu werten. 

Der mit dem Flamingo tanzt: Firmenfeiern mit Folgen

Firmenfeiern sollen die Stimmung im Team ein wenig auflockern und den Teamzusammenhalt stärken. Doch so manch einer schlägt dabei gerne mal über die Stränge. So auch ein Arbeitnehmer auf einer Betriebsfeier in Köln. Die Betriebsfeier fand auf einem Boot statt, der Mitarbeiter legte kurzerhand einen Schwimmausflug ein und schwamm in Unterhose im Rhein. Seine Mitarbeiter:innen und Vorgesetzten fanden die Aktion nicht so spaßig, da er sich selbst und mögliche Retter in Gefahr gebracht hat. 

Der Mann soll sich außerdem zuvor bereits daneben benommen haben und auf einer anderen Betriebsfeier mit einem Dekoflamingo getanzt haben. An sich ist das erst einmal nichts Verwerfliches, allerdings entstand dabei ein Schaden am Flamingo in Höhe von 400 Euro. 

Auch wenn der Arbeitgeber den Klassenclown gerne entlassen hätte, entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf anders. Problematisch war unter anderem, dass vor dem Betriebsrat falsche Angaben bezüglich des Sachverhalts gemacht wurden. Hier wurde etwa behauptet, die Schwimmeinlage im Rhein wäre nackt vonstattengegangen, obwohl er mit einer Unterhose bekleidet gewesen war. Der Mitarbeiter durfte seinen Job also behalten. Ob er noch einmal eine Firmenfeier besuchen wird, ist fraglich. 

In einem ähnlichen Fall ging es nicht so glimpflich für die Arbeitnehmer aus. Zwei Mitarbeiter einer Weinkellerei hatten nach der offiziellen Weihnachtsfeier noch Lust, weiterzufeiern und führten den Abend auf dem Firmengelände fort. Dabei hinterließen sie eine Spur der Verwüstung: Im Urteil war die Rede von zerbrochenen Weinflaschen, Zigarettenstummeln, Erbrochenem und sogar eine zerquetsche Mandarine sollen die Feierwütigen hinterlassen haben. Auch hier wurde eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Hier war das Landesarbeitsgericht allerdings aufseiten des Arbeitgebers und lehnte die Klage gegen die Kündigung ab. Die Pflichtverletzung war so gravierend, dass eine Abmahnung nicht ausgereicht hätte. Die Parteien konnten sich allerdings auf einen Vergleich einigen. 

Auch in Hessen sorgte eine Betriebsfeier für eine Kündigung. Nach der Feier blieb Grillfleisch im Wert von rund 50 Euro übrig. Ein Angestellter wollte nicht, dass das Essen verdirbt und nahm es mit nach Hause. Die Chefin war mit dieser Lösung gar nicht einverstanden und bezichtigte den Angestellten des Diebstahls und sprach eine fristlose Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht Hessen war hier allerdings aufseiten des Fleischliebhabers und urteilte, dass die Kündigung nicht angemessen war. Eine Abmahnung hätte es hier auch getan. 

1.614 Stunden Verspätung und keine Kündigung

Dass man mal ein paar Minuten zu spät kommt, ist vermutlich jedem schon einmal passiert. Solange das nicht regelmäßig vorkommt, werden die meisten Arbeitgebenden wohl Nachsicht haben.

Bei einem Oberregierungsrat haben sich aber ganze 1.614 Stunden Verspätung angesammelt. Zwischen 2014 und 2018 kam der Beamte an 816 Tagen zu spät. Doch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist nicht angemessen. Auch wenn der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen hat, hätte der Dienstherr vor der Kündigung mit einer niederschwelligen Maßnahme auf den Beamten einwirken müssen. Der Dauerzuspätkommer wurde in das Amt eines Regierungsbeamten und in eine andere Besoldungsgruppe eingestuft. Entlassen wird er allerdings nicht. 

„Flinke Frauenhände“: Sexismus in der Arbeitswelt

Der Job sei  „eher etwas für flinke Frauenhände“, mit dieser Begründung lehnte ein Unternehmen einen Bewerber ab, der sich auf eine Stelle an einer Digitaldruckmaschine für Modellfahrzeuge beworben hatte. Und das, obwohl die Stelle mit dem Zusatz (m/w/d) ausgeschrieben war. Der Bewerber sah sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert und klagte auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Landesgericht Nürnberg sah hier ebenfalls einen Verstoß gegen das AGG und sprach dem Mann eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro zu. 

Über einen deutlich geschmackloseren Fall musste das Arbeitsgericht Elmshorn entscheiden. Auf einer betrieblichen Weihnachtsfeier wurde Geld für ein Geschenk gesammelt. Als eine Kollegin nicht wechseln konnte, sagte ein Mitarbeiter im Beisein anderer: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen“. Die Mitarbeiterin beschwerte sich daraufhin beim Geschäftsführer, der die fristlose Kündigung aussprach. Der Mitarbeiter versuchte sich gerichtlich gegen die Kündigung zu wehren, blieb aber erfolglos. Das Arbeitsgericht Elmshorn stellte fest, dass es sich bei dem sexistischen Spruch sowohl um sexuelle Belästigung als auch um eine Beleidigung handelt. Die außerordentliche Kündigung sah das Gericht als geboten an. 

Fristlose Kündigung wegen gefälschten Impfausweisen

Die Corona-Pandemie und die dazugehörigen Sonderregeln sorgte für viele Rechtsstreitigkeiten. Auch vor den Arbeitsgerichten taten sich einige Streitigkeiten auf. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf musste sich gleich mehrere Male mit Kündigungen wegen der Nutzung gefälschter Impfausweisen auseinandersetzen. Im November 2021 galt aufgrund des Infektionsschutzgesetzes die sogenannte 3G-Regelung: Arbeitnehmer:innen mussten vor Betreten der Arbeitsstätte nachweisen, dass sie negativ getestet, geimpft oder genesen sind. Einige versuchten diese Regel mit gefälschten Impfausweisen zu umgehen – und kassierten eine fristlose Kündigung. Wegen des starken Vertrauensbruchs sah das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die fristlose Kündigung als angemessen an. 

Arbeitsnachweis im Homeoffice?

Eine eher positive Auswirkung der Corona-Pandemie ist die Tatsache, dass viele Unternehmen sich damit angefreundet haben, den Mitarbeitenden anzubieten, im Homeoffice zu arbeiten. Allerdings gibt es immer noch Arbeitgeber:innen, die anzweifeln, ob im Homeoffice wirklich so fleißig gearbeitet wird, wie im Büro. Ein Arbeitgeber aus Mecklenburg-Vorpommern wollte sogar das Gehalt seiner Angestellten zurückfordern, da er der Ansicht war, sie hätte in der Zeit nicht gearbeitet. Ihm gelang es allerdings nicht, die mangelnde Arbeitsleistung auch nachzuweisen, sodass das Gericht die Klage abwies. Die Arbeitnehmerin durfte ihren Lohn behalten. 

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Über die Autorin

Hanna Hillnhütter
Hanna Hillnhütter Expertin für: Verbraucherschutz- und Strafrecht

Hanna verschlug es 2012 für ihr Jurastudium vom Ruhrgebiet nach Leipzig. Neben dem Studium mit dem Schwerpunkt Strafrecht, spielte auch das Lesen und Schreiben eine große Rolle in ihrem Leben. Nach einem kurzen Ausflug in das Anwaltsleben, freut Hanna sich nun, ihre beiden Leidenschaften als Redakteurin verbinden zu können.

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